Jochen Malmsheimer: Des Königs Grütze

Grütze, immer nur Grütze. Morgen, Mittags, Abends immer das selbe, selbst an Weihnachten, wenn auch dann zur Feier des Tages mit Rosinen. Hätte Heinrich IV, seines Zeichens römisch-deutscher König und späterer Kaiser, die Monotonie bei Tisch irgendwie umgehen und stattdessen ausgelassen tafeln können, hätte er sogar den Teufel zum Papst gemacht. Oder den Papst zum Teufel gejagt. Letzteres versuchte der Salier im so genannten Investiturstreit 1076 sogar, nur um festzustellen, dass die Antwort des Heiligen Stuhls einen noch schlechteren Beigeschmack haben konnte als jede Grütze: Die Exkommunikation Heinrichs, eine bis dato unerhörte Maßnahme, beraubte diesen seiner Macht und zwang ihn letztlich zum Gang nach Canossa, um dort Buße zu tun und den Papst um Gnade zu bitten.

Mit dieser Historie hat sich Jochen Malmsheimer, Großmeister der Wortkunst, schon vor 13 Jahren ausgiebig auseinandergesetzt – doch wie bei allen guten Programmen ist auch „Zwei Füße für ein Halleluja“ dadurch höchstens gereift, nicht aber verfault. Jetzt haben er und sein musikalischer Begleiter Uwe Rössler die Vergangenheit im Pantheon wieder aufleben lassen.

 

Natürlich schmückt Jochen Malmsheimer die Jugend von Heinrich IV, seine ersten Jahre als erwachsener Regent und den Streit mit Rom in einem für seine Verhältnisse fast schon dezenten Rahmen aus und nutzt dazu alle, wirklich alle Werkzeuge der Grammatik, der Stilistik und der Rhetorik, die ihm zur Verfügung stehen, was vermutlich mehr sein dürfte als das gesammelte Arsenal der Duden-Redaktion. Genüsslich liest er aus von ihm „entdeckten“ Tagebüchern des Königs, in denen die besagte Grütze eine ebenso zentrale Rolle spielt wie seine Abneigung gegen die Sachsen und den verschlagenen Anno von Köln, der später den zwölfjährigen Heinrich IV in die Domstadt entführen und sich zum Regenten des Deutschen Reiches machen sollte. Dabei hält sich Malmsheimer nicht zurück, schwingt die Sprache so wie ein Ritter sein Breitschwert, mit großer Wucht und zugleich mit immensem Geschick. Sein Heinrich schimpft wie ein Rohrspatz, unflätig, laut und vor allem gegen alles und jeden, das jedoch mit einer Eloquenz, die ihresgleichen sucht. Der frühe Tod seines Vaters Heinrich III wird ebenso thematisiert wie der Staatsstreich von Kaiserswerth, die Sachsenkriege und schließlich jener winterliche Bußgang über die Alpen im Jahr 1077, für den der König bis heute berühmt ist; die Männer kriechend und rutschend, Königin Bertha und die anderen Frauen auf Rinderhäuten folgend. Eine Tortur, die leider – so viel Kritik sei erlaubt – ein bisschen zu sehr ins Lächerliche gezogen wird.

Während Jochen Malmsheimer sich in der Geschichte verliert, ausgelassen mit Verben und Substantiven um sich wirft und jeden Sprachliebhaber immer wieder aufs Neue verzückt, setzt Uwe Rössler an den Tasten lieber auf Wiederholungen und Variationen. Ein Motiv des Renaissance-Komponisten Giorgio Mainerio – das zwar erst 500 Jahre nach der Regentschaft von Heinrich IV entstand, aber dennoch zu der Lesung passt – wandelt der Impressario des Tiffany-Ensembles ein ums andere Mal ab, setzt es mal im Stile von Mozart, Beethoven, Dvorak oder Chopin um, verjazzt es oder verleiht ihm mit Hilfe des Keyboards neue Klangfarben. Am Ende kann das Publikum die Melodie mühelos mitsummen, doch anstatt Rössler zu verfluchen, dankt es ihm und noch mehr Jochen Malmsheimer für einen fantastischen mittelalterlichen Abend.

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