Seit Wochen ist das Bonner Jazzfest bemüht, sämtliche Veranstaltungen nachzuholen, die aufgrund der Corona-Pandemie wieder und wieder verschoben werden mussten. An diesem Wochenende fand nun ein Doppelkonzert statt, das eigentlich Ende April 2020 den Auftakt des Festivals hätte bilden sollen: Im Telekom Forum trafen das Bundesjazzorchester (BuJazzO) sowie Jazz-Legende Klaus Doldinger mit seiner Band „Passport“ aufeinander. Hier die Novizen, die in den kommenden Jahren den Jazz prägen werden, dort der Meister, der auch mit 85 Jahren noch Magie wirken kann. Eine spannende, aufregende, faszinierende Kombination, die für ein überaus vielfältiges Programm zwischen Tradition und Moderne sorgten.
Das BuJazzO gehört längst zu den festen Größen des Jazzfests. Immer wieder ist der weltweit einzigartige Nachwuchs-Klangkörper zu Gast, und doch war der Auftritt am vergangenen Samstag etwas Besonderes. Erstmals seit mehr als 500 Tagen darf die Bigband wieder in voller Stärke auf die Bühne und kann dort das tun, was allen Beteiligten am Herzen liegt: Spielen. Jazz ohne Grenzen und Schranken präsentieren und der Welt zeigen, was alles möglich ist. Nun konnte das BuJazzO genau das vor fast ausverkauftem Haus tun und nutzte die Gelegenheit, sogleich den neuen BuJazzO-Leiter Ansgar Striepens vorzustellen, dessen breit gefächerte Arrangements im Mittelpunkt des Programms standen. Tatsächlich scheint sich der 56-Jährige überall wohlzufühlen. Er hat in Bob Bruckmeyers New Art Orchestra an der Seite von Gerry Mulligan und Michael Brecker gespielt, mit Götz Alsmann und der WDR Big Band das erfolgreiche „Winterwunderwelt“-Album produziert und mit Randy Brecker und Theo Bleckmann ebenso gearbeitet wie mit Helge Schneider, Culcha Candela und Nina Hagen. Striepens ist ein Brückenbauer, der Rock, Pop und Klassik geschickt in den Jazz überträgt, der Choräle und Bergmannslieder swingen lässt und Suiten schreibt. All das war an diesem Abend hörbar, angefangen mit zwei Stücken zu Ehren des Architekturzeichners Helmut Jacoby. Später erstreckte sich der Bogen von Georg Friedrich Händels „Loathsome Urns, Disclose Your Treasure“ über das volkstümliche „Ein Bergmann, der nahm Abschied“ bis hin zu Paul Simons „One-Trick Pony“, stets geprägt von eleganten Arrangements und dem differenzierten, konzentrierten Spiel des BuJazzO inklusive des überzeugenden Gesangsensembles. Die Bagatelle „Lustig. Traurig.“ von Beethoven ging schließlich nahtlos über in die eindringlichen Melodien Klaus Doldingers, der den zweiten Teil des Abends bestreiten sollte.
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Doldinger ist auch im hohen Alter noch eine Klasse für sich. Sein lyrisches Saxofonspiel ist unverkennbar, seine Energie auf der Bühne noch immer spürbar, auch wenn er sich inzwischen ab und zu mal ein Päuschen gönnt und seiner Band genüsslich zuschaut. Warum auch nicht? Immerhin sind „Passport“ seit nunmehr 50 Jahren ein Teil von ihm, eine schier unerschöpfliche Quelle an Funk-Grooves und zumindest in Europa von vergleichbarer Bedeutung wie Joe Zawinuls „Weather Report“. Zusammen mit dem Trompeter Joo Kraus, mit dem Doldinger im Telekom Forum immer wieder in einen melodischen Dialog trat und der sich bei „Ball The Jack“ sogar als veritabler Rapper erwies, gaben „Passport“ gleich von Anfang an Gas und begannen mit „Abracadabra“ zu zaubern. Später folgten etwa das nachdenkliche „Black Flame“ oder das irrlichternde „Will-O The Whisp“, bei dem Doldinger seinem Alter Lügen strafte. Jeder Ton saß, jede Phrase schuf ein neues Bild oder zumindest ein Fragment, ein Kaleidoskop aus Musik gewordenen Eindrücken und Ideen in einem Kopfkino der Extraklasse. Mit dem schwungvollen „Fifty Years Later“ entließ Doldinger schließlich ein euphorisches Publikum in die Nacht, das zumindest zum Teil am nächsten Abend erneut auf einen Meister traf: Jan Garbarek, der ebenfalls im Rahmen des Jazzfests im Telekom Forum auftrat. Mit diesem Konzert sind nach derzeitigem Stand noch zwei weitere Termine offen. Am 4. November treffen Roger Hanschel und das Auryn Quartett im Volksbank-Haus auf das Duo von Sängerin Silje Nergaard, und am 11. November kann man im Post Tower Kadri Voorand und Malia erleben. Für beide Doppelkonzerte gibt es noch Karten.
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