Der Barock-Komponist Antonio Vivaldi hat ohne Zweifel einige wunderschöne Werke geschrieben, auch abseits seiner „Vier Jahreszeiten“. Aber sein Flötenkonzert in C-Dur? Da gibt es noch Verbesserungsbedarf. Das behaupten zumindest Wildes Holz, die sich für ihr neues Programm „Grobe Schnitzer“ der Aufgabe gestellt haben, besagtes Stück zu optimieren: Mit einer neuen Tonart, einer Reduktion und einer Umkehrung der Sätze und der Hilfe einer E-Gitarre, die kurzerhand ein komplettes Orchester ersetzt, lassen sich so einige vermeintliche Webfehler korrigieren. Das Ergebnis hat das irre Trio mit einer neuen Besetzung jetzt im nahezu ausverkauften Haus der Springmaus präsentiert und beim Publikum offene Türen eingerannt. Ja, so klingt Vivaldi deutlich besser. Oder auch die Backstreet Boys.
Tobias Reisige, Deutschlands erster diplomierter Jazz-Blockflötist und ein Virtuose auf allem, was beim Hineinblasen nach Holz klingt, sowie sein Bassist Markus Conrads sind ja schon längst Stammgäste in Endenich und immer für eine Überraschung gut. Die erste, direkt am Anfang: Johannes Behr. Der Kölner Jazz-Gitarrist, der bei Philip Catherine studierte und unter anderem schon mehrfach in der Bigband von Tom Gaebel spielte, ist nach dem Tod von Anto Karaula vor inzwischen drei Jahren der zweite Saitenkünstler, der sich an die mitunter ziemlich verrückte, aber auch durchaus anspruchsvolle Musik von Wildes Holz heranwagt und dabei auf ganzer Linie überzeugt. Ein eigenes Stück über Köln-Ehrenfeld fügt sich nahtlos in das weit verzweigte Repertoire der drei Hölzer ein, das neben ein paar neuen Kompositionen auch wieder allerlei Cover und Medleys enthält – und natürlich viel Material für die immer noch unterschätzte Blockflöte, die bei Vivaldi bis an die Grenzen des Möglichen geführt wird, aber auch über die Alte Musik hinaus zu glänzen vermag. Mal erklingt ein Hit von A-ha in einer Techno-Version („Take On Me“), dann wieder eine frühe Ramones-Nummer („Sheena is a Punk Rocker“) oder auch mal der Police-Klassiker „Every Breath You Take“, der natürlich – wie sollte es anders sein – mit „Last Christmas“ verknüpft ist. Immerhin ist bald schon Weihnachten, und bevor Wildes Holz die dazu passenden Titel gar nicht mehr spielen können, flechten sie diese eben in das reguläre Programm ein. Dazu kommen diverse selbst geschriebene Stücke aus der „Holzklasse“, darunter eine herrlich schräge „Pavane Furioso“, also ein mittelalterlicher Schreittanz mit Metal-Anleihen. Derartig eigenwillige Verästelungen sind schon immer die größte Stärke des Trios gewesen und bleiben es hoffentlich auch weiterhin. Wenn schon nicht zu Weihnachten, dann eben im nächsten Frühjahr.
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