Die Bedürfnisse junger Jazzer sind relativ einfach zu benennen und doch nicht so leicht zu befriedigen. Sichtbarkeit, Referenzen, ein Netzwerk und Auftrittsmöglichkeiten sind für eine erfolgreiche Karriere unabdingbar, so fasst es Vortstandssprecher Christian Cassebaum bei dem ersten Konzert der neu gegründeten Grizzly Jazz Foundation im Konzernsitz der Deutschen Telekom zusammen. Die Stiftung, die der vor einem Jahr verstorbene Anästhesist Professor Andreas Hoeft ins Leben gerufen hat, will talentierten, ausgewählten Nachwuchskünstlern mit einer zweijährigen Förderung helfen, die vier genannten Faktoren zu realisieren und das eigene Profil zu schärfen – jetzt hat sie mit der Sängerin Alma Naidu die erste Stipendiatin der Öffentlichkeit vorgestellt.
Naidu gilt bereits jetzt als Ausnahmetalent mit einer wunderschön klaren, warmen Alt-Stimme. Geprägt durch ihre Mutter, eine gefeierte Opernsängerin, hat sie klassischen Gesang studiert, bevor
sie zunächst das Musical und dann den Jazz für sich entdeckte. Schlagzeuger Wolfgang Haffner entdeckte wiederum sie und holte die damals 25-Jährige für die Aufnahmen zu seinem Album „Kind of
Tango“ an Bord, zusammen mit Stars wie Bill Evans, Vincent Peirani, Ulf Wakenius und Lars Danielsson, der die zweite Hälfte des Grizzly-Konzert bestritt. Wer Naidu einmal hat singen hören, wird
die Faszination Haffners denn auch verstehen – Hoeft sei es bei einer Begegnung auf Schloss Elmau wohl gewesen, wie Vorstandsmitglied Anke Steinbeck erzählte. Vielseitig ist sie, mit klarer
Intonation und einer Stimmfärbung wie zart schmelzende Schokolade an einem sonnigen Herbsttag, aber bei Bedarf auch kantig und grell, etwa wenn sie mit der Jazzrausch Bigband Techno-Kompositionen
interpretiert. In der Telekom-Zentrale begnügte sie sich hingegen mit Solo-Versionen von Stücken ihres ersten Albums, die sie selbst am Klavier begleitete: Wunderschönen Kompositionen irgendwo
zwischen Pop- und Folk-Ballade, eingängig und gefällig, traumhaft und beinahe zerbrechlich, wenn auch mitunter etwas vorhersehbar. Insbesondere ihre Cover-Version von Billy Joels „And So It Goes“
ließ eine originelle Idee vermissen, mit der Alma Naidu das Lied zu ihrem hätte machen können. Andererseits ist das Stipendium der Grizzly Jazz Foundation ja genau dafür gedacht, die nächste
Stufe in der Entwicklung zu erklimmen. Man kann also gespannt sein.
In welche Richtung dies gehen kann, zeigte der Auftritt von Lars Danielssons Quartett „Libretto“. Der schwedische Bassist, einer der Besten seines Fachs, changierte mühelos zwischen
Naturgeräuschen und klaren Harmonien, zwischen herrlich wilden Passagen bei „The 5th Grade“ und nahezu barockem Spiel bei einer Passacaglia im Viervierteltakt. Brillant erwies sich dabei Grégory
Privat am Klavier mit einigen überragenden Soli, doch auch Gitarrist Krister Jonsson und der souveräne, präzise und doch immer wieder neue Akzente setzende Magnus Öström am Schlagzeug
begeisterten das Publikum. Gegen Ende stieß dann auch Alma Naidu dazu: Zunächst in einem für sie leider etwas zu hohen Duett mit Lars Danielsson, im Anschluss bei „Desert of Catanga“ mit dem
gesamten Quartett, bei dem die junge Sängerin zeigen konnte, was alles in ihr steckt. Letztlich dürfte dieser Einstand somit ganz im Sinne Hoefts gewesen sein, der übrigens zumindest versteckt
auch im Namen seiner Stiftung auftaucht: Wegen seines energischen Auftretens nannten seine Freunde den Mediziner und Jazzliebhaber gerne „Grizzly“.
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