er Weltraum. Unendliche Weiten. Wir befinden uns in einer fernen Zukunft, in der das Raumschiff des Herzogs von Neapel durch einen kosmischen Sturm abstürzt und sich die Besatzung auf den Planeten des Magiers Prospero rettet, der einige der Männer an Bord nur zu gut kennt. Klingt nach einer vertrauten Ausgangslage? Sollte es auch. Immerhin hat die Bonn University Shakespeare Company (BUSC) mit einer Science-Fiction-Adaption von „The Tempest“ keineswegs Neuland betreten; einige Filme und Serien aus den 50er und 60er Jahren haben das Machtgefüge zwischen Liebe, Gier und Zauberei und die Erzählmuster des Dramas aufgegriffen, um die Geschichte von Prospero, Miranda und dem dämonischen Caliban auf ihre Weise zu erzählen. In der Brotfabrik sollte nun eine augenzwinkernde, bewusst trashige Hommage an diese Adaptionen hinzukommen, was mitunter auch gelingt – und dann wieder an der Treue zu Shakespeare scheitert.
Keine Frage, mangelnde Spielfreude kann man dem Ensemble nicht vorwerfen, und auch Technik und Maske sind für eine studentische Produktion exzellent. Insbesondere Robin Hemmersbach als
verrückt-hinterlistiger Caliban (mit diversen Anleihen bei Gollum) sorgt immer wieder für Unterhaltung, gerade weil er die Figur so herrlich schräg spielt, ihr damit alles Teuflische nimmt und
sogar Mitgefühl für diese Kreatur weckt. Auch fügt das „Monster“ sich mühelos in das neue Setting ein, ebenso wie Ariel (Tinka Albrecht), die vom Luftgeist zur Künstlichen Intelligenz mit einem
Metropolis-Roboterkörper transformiert wurde. Für die meisten menschlichen Figuren des Stücks gilt dies aber leider nicht, zumal die BUSC darauf beharrt, nur minimal in die Shakespeare-Dialoge
einzugreifen und die Charaktere zwar optisch, aber nicht dramaturgisch an das Konzept anzupassen. Vor allem Prospero (Elisabeth Lewerenz) bleibt farblos, austauschbar, ohne Kontur, anstatt sich
etwa bei Edward Morbius (aus dem Film „Forbidden Planet“) zu bedienen. Ähnliches gilt für Alonso (Sabina Kukuk), den tumben Sebastian (Nikesh Trecarten) und zumindest in Teilen für Ferdinand
(Bruno Kaut), in den sich Prosperos Tochter Miranda (Lina Zubedi) nur deshalb verliebt zu haben scheint, weil er eben der erstbeste Mann in ihrem Leben war. A propos Mann: Warum die BUSC Figuren
wie Prospero, Alonso oder Antonio angesichts der Besetzung nicht einfach einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, bleibt ein weiteres Rätsel. Dabei hätte gerade „The Tempest“ mit Frauen an der
Macht einige durchaus reizvolle dramaturgische Kunstgriffe erlaubt.
Das sklavische Festhalten am Originaltext ist schlichtweg die größte Schwäche der BUSC-Produktion. Zwar hat Regisseur Johannes Neubert ab und an ein paar Weltraumlöwen ins Stück integriert,
größere sprachliche Anpassungen aber trotz langjähriger Erfahrung im Theatergeschäft ebenso vermieden wie innovative Handlungselemente, die vor allem den ernsteren Passagen zu Gute gekommen
wären. Auch der Trash als Kunstform wird nicht ausreichend bedient, die gnadenlose Überzeichnung aller Charaktere vermieden. So bleibt es den komischen Figuren vorbehalten, dem Publikum eine
Reaktion abzuringen. Zum Glück gibt es ja Caliban und seinen dionysischen „Gott“ Stephano (herrlich: Clara Clasen als gieriger Trunkenbold), dank derer die rund 80 Minuten des Stücks immer wieder
kurzweilig werden.
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