Was wäre die Welt ohne Traurigkeit. Ein Ort, an dem alle nur glücklich sind, nur fröhlich und vergnügt, ein modernes Arkadien voller Licht und Liebe. Manche würden mit verklärter Stimme von einem Paradies sprechen. Sterbenslangweilig wäre es da, würde Tina Teubner wahrscheinlich stattdessen sagen, denn wie will man die guten Dinge schätzen, wenn man die schlechten nicht mehr kennt. Und was wäre der Menschheit entgangen ohne die klagende Melancholie. Beethoven und Mozart. Tom Waits und Leonard Cohen. Charles Bukowski und Fjodor Dostojewski. Tina Teubner und Ben Süverkrüp. Die beiden letztgenannten bekennen sich im Kammermusiksaal des Beethovenhauses sogar ausdrücklich zu den düsteren Seiten des Lebens, die so oft als Inspiration für die ganz große Kunst dienen – und zeigen in einer Mischung aus Konzert, Deklamation und Lesung, das Schönheit auch im Dunkeln strahlen kann.
Nicht ohne Grund sind Teubners „Protokolle der Sehnsucht“ erst jetzt entstanden, mit Beginn des Lockdowns und auf die Bühne gebracht in einer Zeit, in der ein Virus wie ein Daoklesschwert über
allen Köpfen hängt. „Meine besten Ideen hatte ich immer in oder nach einer Phase der Melancholie“, bekennt die 55-Jährige. Ihr Programm gehört dazu. Für das Beethovenhaus ist es ohnehin ein
Glücksgriff, passt es doch hervorragend in das neue „Lieder-Macher“-Format: Es verbindet Barbaras „La Solitude“ mit Jacques Brels „Chanson des vieux amants“, flechtet noch ein Lied des
Wehmuts-Poeten Sven Regener ein und verknüpft all das mit Teubners eigenen samt-schwarzen Stücken. Dazwischen immer wieder Text-Einschübe, mal kabarettistisch, mal literarisch, meistens beides.
Ein paar Sätze Gabriel Garcia Márquez, ebenso viel Mariana Leky und ganz viel Teubner, eine unwiderstehliche Mischung. „Ich habe die Welt aus Büchern kennengelernt“, gesteht letztere, und deshalb
weiß sie auch, dass man das Glück aktiv suchen muss und erst aus der Entfernung sieht, wie schön ein Zuhause ist. Und sie versteht, dass alles gleichzeitig passiert, das Schöne und das Traurige,
die pubertierenden Wunschkinder und der schlafende Gatte, die Liebe und die Sehnsucht. „Diese Gleichzeitigkeit – die lässt es einen aushalten“, sagt sie. „Die relativiert alles.“ Selbst ein
Flötenkonzert in so etwas ähnlichem wie D-Dur.
Eigentlich ist es also ein schöner Abend, einer, an dessen Melancholie man sich berauschen kann. Irritierend ist allerdings, dass Tina Teubner und Ben Süverkrüp mitunter musikalisch nicht ganz
auf einer Wellenlänge zu sein scheinen. Sie, die von Ukulele über Geige bis hin zu E-Gitarre und singender Säge alles abdeckt, und er am Klavier setzen unterschiedliche und vor allem uneinige
Akzente, mit gegeneinander laufenden Phrasierungen und rhythmischen Differenzen. Es ist, als ob sie einander nicht hören, oder als ob sie sich ein bisschen fremd geworden sind in den
Corona-Monaten. Das wäre schade. Denn wer wie die beiden die Traurigkeit so schön wirken lassen kann, den muss man halten. Oder zumindest bald zurückholen.
Termin: Tina Teubner und Ben Süverkrüp kommen mit ihrem Programm „Ohne dich war es immer so schön“ am 30. März ins Bonner Pantheon. Karten erhalten Sie telefonisch (0228 21 25 21) oder über www.pantheon.de.
Kommentar schreiben