Aufstrebende Künstlerinnen und Künstler treffen auf Veteranen und Legenden: Das ist eine der zentralen Ideen des Jazzfests Bonn. Nicht immer klappt das, das gesteht auch Impressario Peter Materna ein. Manchmal aber schon, so wie jetzt am vergangenen Samstagabend. Durchstarterin Alma Naidu traf im Pantheon auf Mike Stern und Bill Evans; mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Eine vielseitige Sängerin auf der einen Seite, zwei der weltbesten Jazzer auf der anderen, das kann doch nur gut werden. Oder besser. Oder beides.
Tatsächlich ließ das erste von insgesamt drei Doppelkonzerten in dem Beueler Kleinkunsttempel keine Wünsche offen. Schon der Auftakt mit Alma Naidu sorgte zu Recht für Jubelstürme. Die 27-Jährige wird derzeit als Shooting-Star der deutschen Jazz-Szene gehandelt, die sich in jedem Stil zu Hause fühlt. Ihre Vielseitigkeit stellte sie auch im Rahmen des Jazzfests unter Beweis: Mal verzauberte sie mit feinen Balladen, dann wieder erwies sie sich versierte Scat-Sängerin; mal versank sie im Blues, dann wieder näherte sie sich im Folk an; mal sang sie ihre eigenen Werke, dann wieder bediente sie sich bei Billy Joel und Sting; und stets agierte sie dabei mit einer atemberaubenden Selbstverständlichkeit, die sich auch auf die Mitglieder ihrer Band übertrug. Nur manchmal konnte man Naidu nicht so ganz ernst nehmen, etwa als sie dem Publikum erklären wollte, was Liebe ist, oder als sie sich mit ihrem Gitarristen Philipp Schiepek in ein Duett stürzte, das man angesichts der vokalen und instrumentalen Brachialgewalt auch als Duell hätte bezeichnen können. Ohnehin war Naidu am stärksten, wenn sie ihre klare, warme Stimme etwas zurücknahm und die feinen Differenzierungen in ruhigen Stücken präzise ausgestaltete. Herrlich etwa das nach einem Berg in der Fränkischen Alb benannte „Walberla“, bei dem auch das pulsierende Schlagzeug von Valentin Renner gut zur Geltung kommt, oder eine Cover-Version von „Fragile“, bei dem Naidu und ihre Bassistin Susi Lotter sich geschickt umtanzen.
Und dann kamen sie. Die Legenden. Mike Stern, der einst Mitglied bei Blood, Sweat & Tears war und mit Miles Davis auftrat. Bill Evans, der Anfang der 80er ebenfalls zum Zirkeln um Miles Davis gehörte und auch darüber hinaus mit so ziemlich jedem Fusion-Musiker von Rang gespielt hat. Dennis Chambers, der unter anderem Carlos Santana und – zusammen mit Gary Grainger – John Scofield den Rücken freihielt. Vier Musiker, die an den Hängen des Jazz-Olymp leben und schon mit den ersten Tönen zeigten, warum sie dahin gehören. Bei „Tumble Home“ durfte jeder mal zaubern, und das ungläubige Staunen des Publikums nahm von Takt zu Takt zu, während Stern auf den Saiten seiner E-Gitarre tanzte, Evans seine Saxofon-Soli immer fantasievoller ausschmückte und Chambers sich an seinem Schlagzeug in die Ekstase trommelte. Was für ein wilder Ritt. Später folgten mit „Wishing Well“ und dem düsteren „Bones from the Ground“ – bei dem Evans zum Mikro griff und diese Cover-Version von Brooks Ritter den Menschen in der Ukraine widmete – auch ruhigere, lyrische Stücke von herausragender Intensität, bevor sich das Quartett unter anderem bei Mike Sterns „Chromazone“ endgültig verausgabte. Weltklasse.
Kommentar schreiben