Warum nur? Warum ein zweiter Roman? Diese Frage erwartet Lisa Eckhart nach den Erfahrungen mit ihrem Erstling „Omama“ geradezu. Gerade einmal zwei Jahre ist es her, dass die Kabarettistin auch als Literatin ihren Durchbruch feierte, wenn auch – wie bei Eckhart nicht unüblich – nicht ohne die üblichen Skandale. So weigerten sich zwei Autoren, beim Hamburger Literaturfestival „Harbour Front“ gemeinsam mit ihr auf der Bühne zu stehen, woraufhin die Veranstalter die heute 30-Jährige kurzerhand wieder ausluden und sich damit nicht mit Ruhm bekleckerten. Jetzt folgt mit „Boum“ der zweite Streich der österreichischen Satirikerin, der von Kritikern ebenfalls ambivalent aufgenommen wird. Im Bonner Brückenforum gibt Eckhart nun einen kleinen Einblick in das Werk – und vor allem in dessen Metatext.
Eigentlich will Lisa Eckhart gar nicht vorlesen. Langweilig sei das, sagt sie, und außerdem kann ohnehin jeder Interessierte einfach zum Buch greifen und sich selber von der sprachlichen Finesse
Eckharts (und dem reichlich abstrusen Plot) überzeugen. Insofern hält sich die scharfzüngige Blondine auch nicht weiter mit der Kriminalhandlung auf, die sich um einen Serienkiller mit einem
Faible für Straßenmusiker dreht, und wendet sich lieber dem Hintergrund ihrer Protagonistin Aloisia zu. Diese verfügt durchaus über gewisse Parallelen zu ihrer Erschafferin: Beide zieht es nach
der Matura nach Paris, an die Sorbonne, beide wollen dort Russisch und Germanistik studieren, und beide verlieben sich schnell in eine Stadt, die längst nicht so schön ist, wie sie in Film und
Fernsehen gerne dargestellt wird, und die dennoch ein besonderes Flair hat. Dabei bemüht sich Eckhart durchaus, mit gewissen Vorurteilen aufzuräumen oder ihnen zumindest auf die ihr eigene Weise
auf den Grund zu gehen. Sie berichtet von den neun Quadratmeter großen Dachgeschosswohnungen, bei denen die Wahl zwischen Toilette und Dusche keine leichte ist; sie erzählt von dem Institut für
Sprachwissenschaften am Stadtrand, in einem Viertel, in dem der Himmel drogenverhangen ist und der Boden weiß von Kreideumrissen; und sie schwärmt von dem allgegenwärtigen Geruch frisch
gebackener Croissants, der selbst den Uringestank in der Metro aufzuwerten versteht.
Diese Beschreibungen zwischen Desillusionierung und Verzauberung liefern Eckhart und Aloisia gleichermaßen ab; die Faszination für ihre (einstige) Wahlheimat ist beiden gemein, auch wenn letztere
es weitaus schwerer hat als erstere. Immerhin rutscht die Romanfigur in die Prostitution ab, wird von der Hostess zur Kokotte, landet zwischenzeitlich aber auch in der Gosse und findet bei den
Clochards ein neues Zuhause. „Ich dagegen hab das nur zum Spaß gemacht“, sagt Eckhart grinsend, ohne ins Detail zu gehen; schließlich muss der Mythos um ihre (Bühnen-)Figur noch ein bisschen
wachsen. Ohnehin spielt sie bei „Boum“ mit erotischen Anspielungen und sexuellen Ausbeutungen, mit der Geilheit der Männer, der Paradoxie von blank ziehenden Demonstrantinnen und dem Voyeurismus
aller. Dabei wäre all das gar nicht nötig – das, was Lisa Eckhart in exakt 90 Minuten auf der Bühne vorträgt, ist doch reizvoll und spannend und unterhaltsam genug, sprachlich brillant, herrlich
satirisch und von einer Bildhaftigkeit, die Spaß auf mehr macht. Doch darauf wird Bonn wohl noch warten müssen: Nach derzeitigem Stand und eigener Aussage Eckharts kommt diese erst 2024 wieder in
die Bundesstadt.
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