Alles kaputt, am Boden, ohne Perspektive, ohne Zukunft: Wenn Steffi Günther repräsentativ für ihre Generation sein sollte, stünde es um diese nicht gerade gut. Die 30-Jährige blickt auf eine Welt, in der die Lebensgrundlagen schwinden und Krisen den Dauerzustand bilden, und sucht Lösungen im engsten Kreis, also in ihrer Familie. Genauer gesagt bei ihrer Großmutter, die in der Nachkriegszeit ja auch irgendwie klar gekommen ist, sich nicht entmutigen ließ und beim Wiederaufbau angepackt hat. Im Rahmen des Theaterfestivals west-off, das jetzt zum wiederholten Mal im Theater im Ballsaal stattfindet, nähert sie sich ihrer Großmutter an und sucht eine Verbindung zu ihrem eigenen Leben.
Ganz unproblematisch ist dieser Ansatz nicht, lassen sich doch die Folgen des Klimawandels und einer konsumgesteuerten Gesellschaft nur bedingt mit dem in Trümmern liegenden Deutschland in
Einklang bringen. Doch Steffi Günther glaubt einen Weg in der Kohle als Energieträger und dem Glauben an ewiges Wachstum zu finden. „Euer Anker ist jetzt unsere Krise“, sagt sie in dem
Live-Hörspiel „Am Sonntag essen wir friedensmäßigen Streuselkuchen“ zu ihrer Oma, die diese Aussage als Klage versteht, als Vorwurf an eine Generation, die zunächst einmal nur überleben wollte.
Der Hungerwinter von 1946/1947 lässt derartige Bemerkungen denn auch absolut gefühlskalt erscheinen: Temperaturen von bis zu minus 25 Grad waren angesichts zerstörter Häuser, mangelndem
Brennmaterial und einer extremen Lebensmittelknappheit ein Todesurteil für all jene, die nicht alles verheizten, was ihnen in die Finger kam. Dass die Menschen nach derartigen Erlebnissen das
Wirtschaftswunder als Befreiung empfanden und das Leben genossen, das ebenfalls auf der Kohle fußte, ist nur allzu verständlich. „Wir konnten ja nicht ahnen, welche Konsequenzen das Verbrennen
von Kohle haben würde“, lässt Steffi Günther denn auch ihre Oma sagen, und ihr Opa schimpft: „Ohne uns ginge es dir jetzt längst nicht so gut.“ Stimmt, antwortet die Performerin und Autorin.
„Aber ihr habt es trotzdem verkackt.“
Die ungewöhnliche Performance, in der Kassettenrekorder und Loop-Maschinen, ein Mini-Keyboard und ein Windspiel zum Einsatz kommen, bleibt nicht nur bei der Frage nach vermeintlicher Schuld und
Krisenbewusstsein stehen. Auch das Verhältnis zur Religion und zur Familie wird thematisiert und in einer Art Collage aus Gesprächsfragmenten, philosophischen Gedanken und persönlichen
Kommentaren verarbeitet. Eine Antwort kann und will Steffi Günther dabei nicht geben, sondern lediglich Positionen aufzeigen, und wenn diese mitunter ein bisschen mehr Feingefühl und
Geschichtsbewusstsein vertragen könnten, zeigt dies doch nur ein grundsätzliches Problem in der gegenwärtigen Diskussion zwischen jenen, die nur vorausschauen, und jenen, die zurückblicken. „Am
Sonntag essen wir friedensmäßigen Streuselkuchen“ könnte dazu als guter Ausgangspunkt dienen. Die Menschen müssten nur zu west-off kommen. Und sich auf das Hörspiel einlassen.
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