Eigentlich hätten sie zusammen auf dem Präsidium sitzen müssen, gerade jetzt, nach zwei Jahren Corona-Pause und pünktlich zum 40. Jubiläum ihres FKK Rhenania: Die neueste Ausgabe des Pink Punk Pantheon hätte für Fritz Litzmann (Rainer Pause) und Helmut Schwaderlappen (Norbert Alich) eine triumphale Rückkehr auf die Bühne bedeuten sollen, wo sie unverwüstlich wie die beiden Grantler Waldorf und Stattler aus der Muppet Show über dem närrischen Trieben thronen. Doch ach, der Konjunktiv lässt Schlimmes schon erahnen. Nach einem kurzfristigen Außentermin zur Vermarktung einer neuen, flüssigen Reliquie steht Schwaderlappen – so deutet es zumindest ein Telefonanruf an – an einer von Bonns zahlreichen tückischen Bahnschranken fest (in Wirklichkeit ist Alich erkrankt, weswegen auch die Premiere des PPP um eine Woche verschoben werden musste). So obliegt es nun seinem gerne mal etwas wirren Freund und Kollegen Litzmann, die Sitzung alleine zu leiten. Was diesem mühelos gelingt.
Selbstverständlich ist das nicht: Fritz ohne Hermann, das war in der Vergangenheit so unvorstellbar wie ein Rosenmontagszug ohne Wagen. Stets haben die beiden Präsidiumsmitglieder sich gegenseitig hochgeschaukelt, angegiftet und an den Rand des Wahnsinns gebracht, sehr zur Freude des Publikums. Doch es geht halt diesmal nicht anders. Und es geht gut. Sehr gut sogar. Was so überraschend nun auch wieder nicht sein dürfte, ist doch Rainer Pauses Alter Ego ohnehin von Natur aus eine Rampensau, die schneller spricht als ihr Schatten denken kann, mühelos zwischen zehn Themen gleichzeitig hin und her springt und lieber um Verzeihung als um die Erlaubnis zum Schwadronieren fragt. So auch beim PPP, bei dem sich Pause die kurzfristig auf ihn zugekommene Doppelbelastung nicht anmerken lässt und Litzmann stattdessen gewohnt aktuell vom Leder ziehen lässt, indem der unter anderem die jüngsten Ranking-Erfolge Bonns kommentiert (Platz zwei bei der Blitzer- und Platz eins bei der Baustellendichte), sich über die Einbahnstraßenregelung der nur noch stadtauswärts führenden Bornheimer Straße wundert und Joe Biden für seine gut gefüllte Garage bedauert. Insofern bewahrt sich einmal mehr der Spruch, dass Totgesagte ja bekanntlich länger leben – die skurrile Mischung aus Trauer- und Geburtstagsrede auf Fritz Litzmann, der damit zu dem kabarettistischen Äquivalent von Schrödingers Katze wird, widerlegt der 75-Jährige auf jeden Fall mit Nachdruck. Entlastung bringt aber aber Litzmanns Tochter Fritzi (Gabi Busch), die ihrem alten Herrn bei dem ohnehin stets wirren Rechenschaftsbericht zur Seite springt und ihn zumindest für ein paar Minuten nicht allein in den Höhen des Pantheons sitzen lässt. Ein schöner Einfall, zumal sowohl Aussehen als auch das Lachen die engen Verwandschaftsbeziehungen der beiden eigenwilligen Gestalten nur unterstreichen.
Angesichts all des berechtigten und notwendigen Lobes auf den herkulischen Kraftakt Pauses droht allerdings die Ensemble-Leistung in den Hintergrund gedrängt zu werden. Zu Unrecht: Ohne die zahlreichen bissigen Sketche und Lied-Parodien, ohne die tiefschwarze Satire und die grell leuchtenden Akte des Irrsinns wäre Pink Punk Pantheon schließlich nicht das, was es nun einmal ist, nämlich die wahrscheinlich kreativste alternative Karnevalssitzung der Republik. Auch in diesem Jahr ist in der Regie von Stephan Ohm ein herrlich buntes Programm entstanden, das sich zwar bei der Premiere mit immerhin vier Stunden (inklusive Pause) als deutlich zu lang erweist, in den folgenden Tagen aber sicherlich noch in Form gestutzt werden wird. Die Frage ist nur, was gestrichen werden kann. Und was nicht. Bleiben sollte auf jeden Fall das Gespräch zweier Flugtaxifahrer aus Hangelar (Gabi Busch und Volker Büdts) über die Prominenten, die diesen Ort in den vergangenen zweitausend Jahren bereits überflogen haben, angefangen bei Jesus, dem der Lotse in der Bodenstation den Weg Richtung Himmel wies. Auch das herrlich possierliche Krätzchen von Aischa-Lina Löbbert und Beate Bohr, die den Umsturzversuch der Reichsbürger satirisch besingen, gilt es zu erhalten, ebenso wie Bohrs Blockflöten-Solo zu einer klimafreundlichen Version des „Rage Against the Machine“-Hits „Killing in the Name of“ oder den brillanten Auftritt von Massimo Tuveri als Literaturkritiker Schennis Deck, der sich an einem altfinnischen, sinnlich-sinnigen Text berauscht und in dieser Rolle ohne Weiteres mit Parodie-Papst Olli Dittrich mithalten könnte . Ohnehin ist Tuveri in diesem Jahr bei einigen der stärksten Nummern des Abends beteiligt, darunter der bitterbösen „Sünderlein“-Gesangseinlage von vier Ablass-freudigen Kardinälen als auch dem Besuch des Jeck Packs, das sowohl bei den Zoten als auch bei den Liedern ganz nah dran ist an den verschmitzten Geplänkeln von Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr. Ganz großes Theater – und ganz große Musik, bei der die viel zu sehr im Dunkeln sitzende Band unter der Hallendecke wirklich alle Register zieht. „Viva Colonia“ als Swing? Da wippt selbst der inzwischen in Melancholie versunkene Fritz Litzmann, der sich inzwischen als Zeichen der Gleichberechtigung in Frauenkleider gestürzt hat (ein Zusammenhang ist hier nicht intendiert), leise mit, während das Publikum tobt. Zu Recht.
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