Die Welt ist kaputt. Zumindest aus Sicht des Westens. Auf einmal herrscht Krieg, und zwar vor der Haustür statt um die Ecke, so dass man auf einmal nicht mehr wegsehen kann; das Klima spielt verrückt, auch das urplötzlich; und dann ist auch noch die Mitte der Gesellschaft verschwunden, die in der Vergangenheit stets als identitätsstiftende Positionierung einer utopischen Solidargemeinschaft diente. Fairness, Ausgewogenheit, eine Balance aller Interessen: Was es einst zumindest theoretisch hätte geben können, ist jetzt nur noch ein feuchter Traum. Während sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet, zerschneidet sie unbarmherzig dieses Konstrukt, mit dem die Bevölkerung sich bislang so schön rausreden konnte, und deckt einen Widerspruch auf, der sich selbst nicht erträgt. So zumindest formuliert es der Kabarettist Philipp Simon, als er im ausverkauften Pantheon sein aktuelles Programm „Zwischenstand“ präsentiert – und dabei zwischen den üblichen Polemiken hervorragende Analysen abliefert.
Insbesondere dann, wenn Simon mal nicht auf einzelne Politiker schimpft (vor allem Christian Lindner und Olaf Scholz hat er im Visier), zeigt sich die Brillanz des 46-Jährigen. In kraftvollen
Texten, unterfüttert mit harten Zahlen, nimmt er so unter anderem den Tankrabatt, die Kriegsangst und die Bildungsmisere auseinander, die natürlich alle irgendwie zusammenhängen. „Was könnte man
nicht alles mit 100 Milliarden Euro in Kitas und Schulen bewirken“, rechnet er mit Blick auf das kurzfristig geschaffene Sondervermögen der Bundeswehr vor. „Aber so lange Putin nicht in die
Klassenzimmer einrückt, wird da wahrscheinlich nichts passieren.“ Dabei ist gerade Bildung entscheidend für Wohlstand. Und das Geld ist ja offenbar da, wenn nicht im Staatshaushalt, dann bei den
Großverdienern. Allein der Firmenerbe von Ferrero hat 2022 eine Dividende von 574 Millionen Euro erhalten. „Wir brauchen Umverteilung, nichts anderes wird helfen“, fordert denn auch Simon,
wohlwissend, dass er damit Positionen des Kommunismus vertritt.
Zwischen den politischen Themenblöcken widmet sich Simon zusammen mit seinem Sidekick Martin Brindöpke, dem letzten echten SPD-Anhänger und Besitzer von Gerhard Schröders Tagebüchern, noch einem
weiteren wichtigen Aspekt der Gesellschaft: Der Sprache. Die müsse zeitgemäß sein, sagt er, fordert unter anderem mehr Kika in der Tagesschau und übersetzt alte Witze aus der Harald-Schmidt-Show
in einen politisch korrekten Stil. Was natürlich überhaupt nicht lustig ist, aber das ist ja schließlich der Witz. Beim Publikum kommen gerade diese Passagen gut an, auch wenn sie etwas zu
konstruiert sind, zu bemüht komisch, zu gewollt absurd. Als Intermezzi zwischen den politischen, philosophischen und psychologischen Blöcken funktionieren sie aber gut, zumal Simon und Brindöpke
sich die Bälle geschickt zuwerfen und sichtbar Spaß am Spiel haben. Dennoch ist Philipp Simon immer dann am überzeugendsten, wenn er die großen Bögen betrachtet und an den Humanismus appelliert,
in der Hoffnung, dass zumindest der noch die Gesellschaft zusammenbringt. Und eine neue Mitte entstehen lässt.
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