Die Finger tanzen auf den Tasten, entlocken dem Klavier im Universal-Saal des Kameha Hotel eine Kaskade perlender Töne, romantisch anmutende Melodien erweckend. Wenn Omer Klein spielt, kann sich jeder Jazz-Fan fallen lassen und einfach nur genießen. So auch an diesem Abend, trotz einer schockierenden, traurigen Nachricht, die Klein dem Publikum überbrachte: Wayne Shorter ist tot. Der legendäre Saxofonist von Miles Davis und Mitbegründer von Weather Report hat so ziemlich jeden Jazz-Musiker beeinflusst, auch den 40-jährigen Israeli, der diesem daher auch das komplette Konzert widmete – die erste von mehreren Verbeugungen Kleins vor Menschen, die ihn prägten.
Obwohl Klein seine Trio-Kollegen Haggai Cohen-Milo (Bass) und Amir Bresler (Schlagzeug) diesmal nicht an seiner Seite hat, hindert ihn das nicht daran, neben ausgewiesenen Solostücken aus eigener
Feder auch Kompositionen darzubieten, die von dem Jubiläumsalbum „Life & Fire“ stammen; mit diesem feiern Klein, Cohen-Milo und Bresler ihre inzwischen zehn Jahre anhaltende Zusammenarbeit.
Im Kameha erklingen nun verschiedene dieser Trio-Nummern ganz reduziert, auf die Melodielinien heruntergebrochen und dennoch kontinuierlich vorwärts strebend. Das traumhafte „The Ravens“ gehört
dazu, aber auch „Tzuri“, das Omer Klein gewissermaßen als Requiem für seinen verstorbenen Großvater geschrieben hat. Manche dieser Stücke werden erst zum zweiten Mal überhaupt vor einem
Live-Publikum gespielt – die Aufnahmen von „Life & Fire“ mitgerechnet, für die das Trio einige Freunde eingeladen hatte, um die besondere Atmosphäre einer Konzert-Situation einzufangen.
Die immense Freiheit des Solo-Spiels genießt Omer Klein, ohne allerdings völlig abzudriften. Alles folgt klaren Strukturen, nichts erscheint zufällig. Nun gut, fast nichts. Manche Stücke, so
gesteht Klein mehrfach, hatte er überhaupt nicht für diesen Abend vorgesehen, aber seine Finger hätten mitunter ihren eigenen Willen. So schafft es unter anderem der Standard „Guess I'll Hang My
Tears Out To Dry“, den Frank Sinatra vergoldete, ins Programm, ebenso wie Brad Mehldaus „Unrequited“. Glücksgriffe, nicht zuletzt weil Klein sich beide Titel mühelos zu eigen macht, ohne dabei
das Original zu verdrängen. Sein glasklarer und zugleich gefühlvoller Ansatz, frei von Ekstase und Exaltiertheit, umschmeichelt die Stücke, lässt sie atmen und sich entfalten, während er sie
spielt und umspielt. Ein bemerkenswertes Konzept, das das Publikum zu begeistertem, lang anhaltenden Beifall animiert. Nur schade, dass es bis zu einer Wiederholung noch ein wenig dauert: Nach
derzeitigem Stand sind in diesem Jahr keine Konzerte von Omer Klein oder seinem Trio in der Region geplant.
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