Jazz trifft auf Flamenco, anatolische auf gälische Musik, afrikanischer Groove auf italienischen Schlager: Das „Over the Border“-Festival 2023 verspricht einmal mehr, überaus spannend und erfreulich bunt zu werden. Und weiblich. Für die diesjährige Ausgabe des Weltmusikfestivals hat Organisator Manha wieder einige starke Frauen eingeladen, was sich auch am Eröffnungsabend mit den Local Ambassadors in der Harmonie zeigt. Das Musiker-Kollektiv, das Perkussionist Roland Peil und Pianist Marcus Schinkel exklusiv für den Festival-Auftakt zusammenstellen, wartet mit erfreulich vielen Künstlerinnen auf, die alle auf ihre Art besonders sind und gerade deswegen das Publikum von der ersten Sekunde an verzaubern. Ebenso wie ein junger – ein sehr junger – Trompeter.
Den vielleicht größten, sicherlich aber glamourösesten Auftritt hat auf jeden Fall Dörthe Dutt (alias Udo Eulgem), die Königin der Rosa Bütt im Koblenzer Karneval und eine begnadete Entertainerin mit Glitzerfaktor 100. Egal ob sie ihre Highheels besingt oder als Sternschnuppe vom Himmel fällt, Dutt überzeugt, und das auch außerhalb der fünften Jahreszeit. Der rosa Farbton steht „Over the Border“ auf jeden Fall gut, un so überrascht es nicht, dass das Publikum die Diva, die für ihre Darbietung offenbar ein Fachgeschäft für Pailletten und Lametta ausgeraubt hat, euphorisch empfängt. Doch auch die junge Liedermacherin Queen Mahoro, die im vergangenen Jahr ihr Abitur an einer Bonner Schule machte und angesichts der Konzertsituation (sowie einer deutlich hörbaren Erkältung) anfangs ein bisschen nervös ist, kommt hervorragend an und verliert bereits nach dem ersten eigenen Song jede Scheu. Zum Glück, erweist sie sich doch als Rampensau allererster Güte, die sich im Rampenlicht richtig wohlzufühlen scheint. Dies gilt übrigens auch für die hinreißende Janet Sahin, die mit zwei türkischen Liedern und heißem Hüftschwung die ohnehin gute Stimmung im Saal noch weiter anheizt.
Den größten Applaus erhält allerdings Amon Deeb. Der Trompeter, der sich mit Thelonius Monks „Straight No Chaser“ sowie Herbie Hancocks „Watermelon Man“ zwei nicht ganz leichte Jazz-Standards
ausgesucht hat, ist mit gerade einmal acht Jahren das mit Abstand jüngste Mitglied der Local Ambassadors, spielt aber schon fast wie ein Profi und kann mit den erwachsenen Kollegen durchaus
mithalten. Die können sich hören lassen: Flöten-Virtuose Daniel Manrique Smith ist nicht nur bei Jin Jim eine Klasse für sich, Druckluft-Posaunist Florian Hertel darf unter anderem ein kleines
„Summertime“-Intro beisteuern, und Gitarrist Vince Themba darf sich auch mal austoben. Drummer Klaus Mages und Bassist Daniel Oetz-Salcines bleiben dagegen im Hintergrund – letzterer ausgerechnet
bei seinem eigenen Stück „Ardians Jam“ allerdings unfreiwillig. Kabelfehler. Schade.
Ein anderes Bass-Solo kann dagegen problemlos erklingen: Die senegalesische Musikerin und Albino-Aktivistin Lady Maah Koudia Keita ist für einen kurzen Auftritt extra nach Bonn gekommen und
bereichert die Local Ambassadors mit ihrem virtuosen, pulsierenden Spiel. Das Kollektiv nimmt derartige Impulse nur zu gerne auf, zumal es gerade einen größeren Umbruch hinter sich hatte. Ein
Großteil der Musikerinnen und Musiker ist zum ersten Mal mit dabei, und aus der Originalbesetzung von 2016 ist neben Peil nur noch Albert N'Sanda auf der Bühne. Der singt inzwischen vorwiegend
deutsche Lieder, aber eigentlich könnte er mit seiner samtenen Stimme auch das Telefonbuch rezitieren, und das Publikum würde ihm zu Füßen liegen. Gleiches gilt auch für den Morna- und
Funaná-Interpreten Mário Marta, dessen Lebensfreude innerhalb von Sekunden den ganzen Saal erfüllt. Ihn können Festivalbesucher übrigens noch bei den Konzerten am 22. und 25. März sowie am 1.
April im Vorprogramm erleben.
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