Jazzfest: Gestrichener Groove

Immer wieder werden junge Musiker als die Zukunft des Jazz bezeichnet, als Innovatoren und Restauratoren, Bewahrer, Entwickler und Propheten eines Genres, das längst über alle Grenzen hinausgewachsen ist und so ziemlich alles erlaubt. In vielen Fällen scheint diese Charakterisierung übertrieben – bei Jakob Manz könnte sie dagegen tatsächlich wahr sein. Oder wahr werden. Auf jeden Fall ist der junge Saxofonist, der im Rahmen des Jazzfests zusammen mit Pianistin Johanna Summer ins Volksbankhaus gekommen ist, ein Ausnahmetalent, der unglaubliche Virtuosität mit starker Emotionalität in Einklang bringt und ein intensives Solo nach dem nächsten durch den Turm aus Glas und Stahl schallen lässt.

Das formstrenge Gebäude ist für ihn die perfekte Bühne: Die ihm innewohnende Energie kann sich hier ganz entfalten, verleiht ihm Flügel und trägt den 22-Jährigen in den Äther. Herrlich, wie er bei Pat Mathenys „Always and Forever“ weite Teile ganz allein bestreitet oder wie er mit der kraftvoll tönenden Eagle-Blockflöte zu zaubern vermag. Ohne Johanna Summer wären diese Höhenflüge allerdings weitaus schwieriger. Die Pianistin ist ebenfalls eine Meisterin ihres Instruments, die mühelos über die Tasten tanzt und Manz ein ums andere Mal Starthilfe gibt. Sie selbst bleibt dagegen lieber geerdet, ist eher introvertiert als extrovertiert, mehr Teamplayerin als Rampensau. Ob im Duo oder solistisch, stets hält sie sich zurück, versucht eher zu harmonieren statt zu dominieren und hält das jeweilige Stück zusammen, wenn Manz mal wieder abhebt.

Das zweite Konzert des Abends übernimmt das Atom String Quartet. Moment: vier Streicher spielen Jazz? Geht das überhaupt? Ja. Es geht. Sehr gut sogar. Und das, ohne ihre musikalische Herkunft zu verleugnen. Die beiden Violonisten Dawid Lubowicz und Mateusz Smoczyński, der Bratschist Michał Zaborski und der Cellist Krzysztof Lenczowski beherrschen den Groove ebenso wie die Tempomodulation der Agogik, sie verstehen sich auf das Ensemblespiel ebenso wie auf die Kunst der Improvisation, und sie meandern genüsslich im Grenzgebiet zwischen Klassik, Neuer Musik und Jazz, ohne angestrengt oder gar bemüht zu klingen. Dabei spielen sie vor allem komplexe und zugleich wunderschöne Eigenkompositionen, erst gegen Ende verbeugen sie sich vor ihren Landsleuten Henryk Wieniawski und Krzysztof Penderecki, nehmen von letzterem aber nicht etwa eines seiner Streichquartette, sondern vielmehr eine Miniatur für Klarinette und Klavier sowie eine Komposition für Solo-Klavier ins Repertoire auf. Was mühelos gelingt und das Publikum so wie schon bei Johanna Summer und Jakob Manz zu euphorischem Applaus animiert. Wenn so die Zukunft klingt, kann der Jazz sich glücklich schätzen.


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