Bei all dem Blödsinn, für den Helge Schneider berühmt geworden ist, vergisst man manchmal seine Qualitäten als Jazz-Musiker. „Katzenklo“ und „Telefonmann“ sind immerhin nur die eine Seite der Medaille. Nun ist der Meister des anarchischen Humors im Rahmen des Bonnlive-Open-Airs vor dem Telekom-Forum aufgetreten, um sein neues Album „Der letzte Torero“ vorzustellen – und hat das Bild, das die breite Öffentlichkeit von ihm hat, kurzerhand gerade gerückt.
Der Platz mit seinem riesigen Pavillondach ist gut gefüllt an diesem frühen Sonntagabend. Helge Schneider ist nun einmal Kult, und wer mit seinen absurden Moderationen und seinem musikalischen Klamauk nichts anfangen kann, wird wahrscheinlich einen großen Bogen um das Gelände schlagen. Was sich als Fehler erweist. Natürlich bleibt der 67-Jährige seinem Stil treu, vertont einen Gang zum Klo („The Wizard“), reaktiviert seine Western-Hymne „Texas“ und schmettert einen schwülstigen Schlager („100.000 Rosen“), den laut Schneider selbst der „Sauerkraut-Polka“-Sänger Gus Backus abgelehnt hat. Und natürlich sind seine bewährten Begleiter wieder mit von der Partie, sein Privat-Butler Bodo zum Beispiel oder der irre Zausel Sergej Gleithmann, der als tanzendes Maskottchen schon längst zum Inventar gehört. Doch im Gegensatz zu früheren Auftritten spielt die Groteske diesmal eine untergeordnete Rolle. Stattdessen macht Helge Schneider in weiten Teilen das, was er nun einmal am Besten kann: Jazz. Zusammen mit seinem langjährigen Gitarristen Sandro Giampietro sowie den alten Weggefährten Timo Schamborski (Bass) und Willy Ketzer (Schlagzeug) stürzt er sich direkt zu Beginn in Charly Parkers „Dexterity“, wandelt auf Bossa-Nova-Pfaden („American Bypass“), swingt entspannt zu der Diexieland-Komposition „The Guilty Doctor“ und hält seine Text-Einlagen ganz bewusst kurz, sofern er sie nicht ganz streicht. So erweisen sich „My Baby Left Me“ oder auch der Americana-Titel „Horses“ vor allem live als starke Instrumentalnummern, bei denen die Band zur Bestform aufläuft. Und Helge Schneider auch, der bei Bedarf sogar gleichzeitig Trompete und Klavier spielt, und zwar überaus gekonnt.
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Es ist dieser Kontrast zwischen banalem Quatsch und feinem Musikgespür, die Helge Schneider schon immer ausgezeichnet hat. Erst die so entstehende Fallhöhe erlaubt es dem Herrn der Faxen, eben diese zu machen und trotzdem nicht abzustürzen, auch an diesem Abend nicht, an dem er nach eigenen Angaben angesichts der Gebäude am Platz in seiner Fantasie gehandikapt ist. Ist auch egal, zumal Helge sich ja eigentlich nur selbst interpretiert, denn ähnlich wie Opa Popolski hat auch er viele berühmte Lieder geschrieben, die weltweit gesungen werden, wenn auch mit einem anderen Text und einer anderen Melodie. Sogar „Für Elise“ hat Beethoven nur vorweggenommen – der eigentliche Urheber sitzt gerade hier in Beuel am Klavier und bedauert die Pappeln, die „als Kiefern getarnt ein trostloses Dasein fristen“, nur um dann in bester Soul-Manier an Marvin Gaye zu erinnern, während er von Erdnussflips in den Falten der Couch philosophiert. Was mal wieder typisch Helge Schneider ist. Das Publikum ist auf jeden Fall begeistert. Von Helge Schneider und vom Jazz. Muss man auch erst einmal schaffen.
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