Besonders tiefschürfend waren die Lieder der Sportfreunde Stiller noch nie. Das Trio hatte selbst in seinen besten Zeiten letztlich nicht viel mehr als aufgebohrte Stadiongesänge im Repertoire, pathetische Hymnen voller inhaltsleerer Phrasen, die dank schlichter, aber effektiver Hooklines sofort ins Ohr gingen und die Fans unweigerlich zum Mitsingen animierten. Doch die Zeiten, in denen die Sportis die großen Arenen füllen, sind vorbei. Stattdessen spielen sie wieder im kleinen Rahmen, so wie beim Bonnlive-Open-Air, seit Anfang des Monats das auf dem Platz vor dem Telekom Forum stattfindet und das mit Royal Republic, Juli oder Meute einige andere Bands dieser Generation nach Bonn geholt hat, die musikalisch und textlich deutlich mehr zu bieten haben. Vor allem da die Sportfreunde noch genau so klingen wie früher. Was kein Garantiezeichen ist, den Fans aber nur recht ist.
Tatsächlich hätte den Sportfreunden zumindest eine gewisse Entwicklung durchaus gut getan. Der Versuch, sich stilistisch breiter aufzustellen, scheiterte allerdings schon 2018, die Texte bestehen in erster Linie aus nebulösen Floskeln und abstrusen Bildern, und die intonationsschwache Stimme Peter Bruggers kann auch nach 30 Jahren im Musik-Business noch immer keine Töne sauber treffen. Andererseits gibt es für die Sportis auch keinen Grund, an sich zu arbeiten, schließlich kommt ihre Musik ja an, bei alten und bei neuen Fans. Laut einer Umfrage Bruggers im Publikum sind etwa die Hälfte zum ersten Mal auf einem Konzert des Trios, was sie beim Mitsingen aber nicht behindert, nicht zuletzt dank des Talents der Sportfreunde, ihre Songs einfach zu machen und dabei so zu tun, als wären sie besser, als sie sind. Zumindest meistens. „Jetzt zum allerletzten Mal, wir waren niemals erste Wahl“, rotzt Brugger an einer Stelle mit deutlicher Punk-Attitüde in die Menge, nur um die Sportis kurz darauf als die deutschen Backstreet Boys zu überhöhen. Ein Kniff, der ankommt. Warum auch immer.
Artikel wird unten fortgesetzt
Immerhin kann man den Sportfreunden Stiller nicht ihr politisches und soziales Engagement absprechen, das sie – vorsichtig dosiert – auch in ihren Konzerten hervorheben. Mit dem Titellied ihres
aktuellen Albums „Jeder nur ein X“ versuchen Sie, den Zusammenhalt aller Demokratie liebenden Menschen zu beschwören, mit „Wächter“ thematisieren sie Depressionen. Dann reicht’s aber auch,
schließlich sollen die Menschen doch bei einem Auftritt der Drei den Kopf ausschalten können. Also her mit den Trinkliedern im Schafspelz, mit den ultimativen Lobhudeleien und mit den
Liebes-Balladen mit Rock-Attitüde, in denen sich die Sportis sogar mit Literaten auseinandersetzen. Hauptsache, ab und zu dürfen Bassist Rüdiger „Rüde“ Linhof und Drummer Flo Weber es ordentlich
krachen lassen.
Dem Publikum liebt diesen Ansatz, will gar nicht mehr. Hauptsache, es kann mitsingen und die großen Hits feiern, „Applaus Applaus“ zum Beispiel oder „New York, Rio, Rosenheim“. Die Sportfreunde
wissen, was sie an diesen treuen Seelen haben, und auch wenn sie mit Höchstgeschwindigkeit durch die Setliste jagen und sich bereits nach 75 Minuten das erste Mal von der Bühne verabschieden,
wollen sie doch keine enttäuschten Gesichter sehen. Also kommen sie wieder, legen noch eine halbe Stunden drauf – und gehen auf Tuchfühlung. Zumindest Peter Brugger, der sich mitten im Lied „Du
bist eine Bank“ auf den Weg quer durch die Menge macht und pünktlich zu „Ich, Roque“ ein paar Akkorde spielt, bevor er sich auf den Rückweg begibt. Schließlich steht noch eine gute halbe Stunden
auf dem Programm, die auch die Sportis auskosten möchten. Auch das hat sich bei dem Trio nicht verändert. Und das Publikum? Zieht glücklich mit.
Kommentar schreiben