Was wäre die kölsche Musik wohl ohne Tommy Engel. Wahrscheinlich ziemlich traurig. Der 73-Jährige, der die Bläck Fööss mitbegründete und fast 25 Jahre lang prägte, bevor er auf Solopfaden weitermachte, gehört zu jener kleinen Gruppe von Künstlern, die in gewisser Weise die Seele der Domstadt bilden. Jetzt sind er und seine Band erstmals in die Bonner Oper gekommen, um dort ein Kehraus-Konzert zu spielen und die Spielzeit von „Quatsch keine Oper“ abzuschließen. Vor ausverkauftem Haus feiert er – leiht verspätet – sein 60-jähriges Bühnenjubiläum. Und sein aktuelles Album.
Schon im vergangenen Jahr hat Tommy Engel ersteres gefeiert, damals im Pantheon. Doch die neue Platte mit dem schlichten Namen „Flieje“ war zu jenem Zeitpunkt noch nicht fertig, sogar namenlos.
Insofern ist es für viele Fans wahrscheinlich das erste Mal, dass sie den Titelsong oder das gefühlvolle „Du mäs mich fru“ (eine Liebeserklärung an Engels Enkel) live hören. Dazu kommt unter
anderem „Alles für de Pänz“, das allen Kindern mit all ihren Problemen gewidmet sein soll, den Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation ebenso wie den Kriegsopfern in der Ukraine –
eine etwas unglückliche Verknüpfung, aber zumindest der Gedanke zählt.
Doch nicht nur Neuheiten erklingen an diesem Abend, dafür hat Tommy Engel ein viel zu großes Repertoire und ein viel zu feines Gespür für die Wünsche des Publikums. Und so spielen er und seine
Band unter anderem die Bläck-Fööss-Hits „Katrin“ und „Ming eeste Fründin“, später folgen dann der „Saunaboy“ aus der L.S.E.-Zeit oder der Reise-Song „Mem Finger üvver de Landkaat“ sowie die
Pop-Persiflagen, für die Tommy Engel schon immer ein Faible hatte. Mal versieht er Zuccheros „Senza und donna“ mit einem neuen Text, dann wieder persifliert er „Music“ von John Miles. Elvis
Presleys „In the Ghetto“ und die Puccini-Arie „Nessun Dorna“, die auf einmal vom Schlafverbot zur Dornkaat-Werbung mutiert. Beim Publikum kommt das an, zumal Tommy Engel eindrucksvoll beweist,
über was für eine starke Gesangsstimme er immer noch verfügt. Kein Wunder also, dass er schon vor der Pause stehende Ovationen bekommt.
Den Applaus hat allerdings auch die exzellente Band verdient, die mit dreistimmigem Begleitgesang und rockigem Impetus Tommy Engel Rückendeckung und Antrieb zugleich verleiht. Vor allem die
leider recht kurzen Soli von Ex-BAP-Gitarrist Helmut Krumminga lassen immer wieder aufhorchen, doch auch Anne Gladbach und Till Kersting an den Mikros sowie der neue Drummer Lukas Berg,
Keyboarder Jürgen Fritz und Bassist Hans Maahn machen einen tollen Job. Das kommt unter anderem Trude Herrs „Die Stadt“ zu Gute, die in einem wuchtigeren Arrangement hervorragend zur Geltung
kommt. Ein Höhepunkt ist auch das Band-Solo, eine grandiose Akustik-Version von Marvin Gayes „How Sweet It Is“, bei dem alle Beteiligten auch mal ans Mikro treten.
Rund zweieinhalb Stunden wechselt Tommy Engel zwischen alten und neuen Liedern, zwischen Augenzwinkerndem und Ernstem. Gegen Ende des Konzerts kommt zudem der typisch kölsche Lokalpatriotismus
zum Tragen, der in „Du bes Kölle“ kulminiert – und natürlich in „En unserem Veedel“, dieser Hymne des Zusammenhalts, die einfach zu jedem Engel-Konzert dazugehört. So endet ein fantastischer
Abend, der sich hoffentlich bald wiederholen lässt. Die Band hat auf jeden Fall schon eine Rückkehr in die Oper versprochen.
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