Am Anfang lässt sich Farruko Zeit. Viel Zeit. Erst 45 Minuten nach dem ursprünglich geplanten Konzertbeginn kommt der 32-jährige Puertoricaner auf die Bühne, lässig, cool, mit dicker Sonnenbrille und Hoodie, die Kapuze auf dem Kopf und die Hände in typischer Hip-Hop-Hab-Acht-Stellung angehoben. Und schon geht es los mit den elektronischen Beats, denen sich keiner entziehen kann. Oder will. Auf diesen Moment haben sie schließlich alle gewartet, die hier dicht gedrängt im Gloria stehen, und so schreien sich die Fans des Reggaeton-Musikers die Seele aus dem Hals, selbst jene, die noch ein bisschen außer Atem sind, weil sie von der Verlegung des Konzerts nichts mitbekommen haben und zunächst zum Carlswerk Viktoria gefahren sind. Ob Farruko extra auf sie gewartet hat oder ob andere Gründe für die Verspätung vorlagen, lässt sich nicht sagen und spielt zumindest für die Fans keine Rolle. Jetzt ist Farruko ja da. Dann kann die Party beginnen.
In gewisser Weise ist Farrukos Musik die Latino-Antwort auf den Ballermann: Schnell, melodisch schlicht und vor allem tanzbar reiht sich Stück an Stück, oft ohne Pause, um die Energie im Saal auf
einem konstanten Niveau zu halten. Kein Wunder also, dass Farruko, seine drei Background-Sänger und -Sängerinnen sowie seine beiden DJs mit einem enormen Tempo durch die Setliste brausen, so als
müssten sie die zuvor vertrödelte Zeit irgendwie aufholen. Dabei würde es dem 32-Jährigen durchaus gut tun, einmal durchzuatmen und das Konzert zu entschleunigen, verfügt er doch über eine
wirklich sehr charismatische, warme und weiche Singstimme, die aber leider nur selten ihr ganzes Potenzial entfalten kann und zu Gunsten von Rap-Passagen oder traditionellen Riddims weichen
müssen. Immerhin setzt Farruko mit Songs wie seinem Remix zu Pedro Capós „Calma“ oder „Passion White“ den Fokus etwas stärker auf den Reggae als Ausgangspunkt seiner Musik, was ansonsten
angesichts der ganzen elektronischen Clubsounds schnell in Vergessenheit zu geraten droht. In diesen Momenten kann das Publikum kurz durchatmen. Und genießen.
Während Farruko in Deutschland bislang eher unbekannt ist, gilt er in der lateinamerikanischen Welt schon länger als einer der aufregendsten Künstler der Gegenwart. Mit 16 Jahren begann er, sich
über die Sozialen Medien eine Fan-Gemeinde aufzubauen, mit 18 veröffentlichte er 2010 sein Debütalbum „El Talento del Bloque“; im gleichen Jahr kooperierte er mit Yomo und Daddy Yankee (letzterer
immerhin die treibende Kraft des Reggaeton in Puerto Rico). Seitdem hat er sieben Alben und zahlreiche Singles herausgebracht, die in den lateinamerikanischen Charts überwiegend Platin- und
mitunter sogar Diamant-Status erreichten. In Deutschland gelang ihm der Durchbruch mit dem Sommer-Hit „Pepas“, der bis auf Platz 11 kletterte. So dürfte es nicht überraschen, dass Farruko im
Gloria mit diesem Song das Finale einläutete, so gegen 22 Uhr. Also nach 45 gedehnten und 75 gehetzten Minuten. Das geht beim nächsten Mal hoffentlich besser.
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