Weihnachten – braucht man das wirklich? Also mal ehrlich, dieser ganze Stress mit der Suche nach den Geschenken für die geliebte (und mitunter auch nicht geliebte) Verwandtschaft ist ja schon schlimm genug, aber dann noch die ganzen deprimierenden Tage im Vorfeld, vor allem der Volkstrauertag und der Totensonntag, die ziehen einen doch nur runter. Und wenn man sich die Zeit schönsaufen will, kriegt man einen Glühwein in die Hand gedrückt. Kein Wunder, dass Fritz Litzmann (Rainer Pause) und Hermann Schwaderlappen (Norbert Alich), ihres Zeichens Alterspräsidenten des traditionsreichen FKK Rhenania, an Weihnachten verzweifeln. Schon seit Jahren klagen sie darüber, dass dadurch ja die Session geteilt wird und man somit ganz aus dem Takt kommt, obwohl man doch eigentlich die Leber langsam auf die närrischen Tage vorbereiten muss – dieses Training ist nach drei Corona-Jahren wichtiger als jemals zuvor. Und so rechnen die beiden Grantler in ihrem geliebten Pantheon erneut mit dem Fest der Liebe ab, wie gewohnt mit bissigen Kommentaren, absurden Geschichten und dem ein oder anderen „modernisierten“ Lied.
Gerade bei letzteren zeigt sich allerdings, dass die aufgezwungene Auszeit Spuren hinterlassen hat: So ganz warm sind Fritz und Hermann bei der Premiere noch nicht und kämpfen (mal bewusst und
mal unbewusst) mit ihren musikalischen Darbietungen. Zu Beginn verzweifeln sie bereits an dem Text des Adventsliedes „Wachet auf, uns ruft die Stimme“ und versuchen sich vergeblich in einer Art
Analyse, im weiteren Verlauf hakt es dann zunehmend an den Melodien. Vor allem eine Umdichtung von „Something Stupid“ läuft musikalisch gesehen aus dem Ruder, ebenso wie ein Potpourri, das den
zahllosen Flüchtlingen gewidmet ist und die Balkanroute nachverfolgen soll, dabei aber in mehr als einem Bereich in Konfusion ausartet. Allerdings ist zu hoffen, dass sich dies im Laufe der
nächsten fünf Wochen noch einpendeln wird – nicht zuletzt weil die Solo-Nummern weitaus besser gelingen.
Die musikalischen Nummern sind aber ohnehin nur Lückenfüller zwischen den gewohnt chaotischen Ausführungen von Fritz und Hermann, die sich über Gott und die Welt aufregen können. Themen gibt es
schließlich genug, auch wenn nicht alle in so ein Weihnachtsprogramm passen würden. So kommentieren die beiden denn auch den Krieg in der Ukraine oder die Klimakrise nur am Rande, ebenso wie den
Rechtsruck in Dseutschland – immerhin warnt Hermann explizit vor einer Bundeskanzlerin Alice Weidel, mit Friedrich Merz als Steigbügelhalter und Stellvertreter, und eine Umfrage im Saal zeigt,
dass keiner eine derartige Konstellation für völlig ausgeschlossen hält. Alleine das sollte schon bei vielen die Alarmglocken läuten lassen, zumal der zunehmende Nationalismus nicht nur die
Ampel-Parteien zu zuvor undenkbaren Restriktionen in ihrer Flüchtlingspolitik treibt, sondern auch die Kultur gefährdet, die letztlich auf den Austausch angewiesen ist. Stichwort Kulturelle
Aneignung. Da darf Othello nicht mehr von weißen Schauspielern gespielt werden, ebenso wenig wie Melchior, was so manches Drei-Königs-Singen scheitern lässt – und dafür hat Fritz, der in diesem
Moment mit Rainer Pause nahezu deckungsgleich ist, überhaupt kein Verständnis. Wie will man sich mit anderen Menschen auseinandersetzen, wenn man nicht mehr in ihre Haut schlüpfen darf? Es ist
keine Zumutung, wenn man sich mit der Herkunft eines Menschen auseinandersetzt“, sagt er. So lange dies ohne Vorurteile geschieht, kann dies sogar sehr lehrreich sein.
Doch Fritz und Hermann wollen nicht nur klagen und kommentieren, sondern auch den Menschen mit aktuellen Problemen helfen. Insbesondere der Suche nach Weihnachtsgeschenken. Fritz, der einst eine
einarmige Madonna erstanden und zum Weinen gebracht hat, verweist unter anderem auf Büßer-Erbsen (acht Euro das Stück ist angesichts sonstiger Reliquienpreise ein echtes Schnäppchen), während
Hermann seinen Erzfreund mit einer Fahrradtour um den Vulkan Fagradalsfjall in Island überrascht. Und dann wäre da noch das Do-it-Yourself-Tierbestimmungsbuch mit gepresster Fauna – ein
Leichtes, zumindest wenn man nach jedem kleineren Wildunfall anhält und die Überreste des plattgewalzten Tieres sorgfältig abpaust. Das ist lehrhaft und nachhaltig zugleich und mit Sicherheit der
Knüller unterm Weihnachtsbaum. Mit solchen Präsenten ist der Christbaumfrieden vielleicht nicht gesichert. Aber es wird auf jeden Fall nicht langweilig.
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