BonnLive Comedy: „Das ist schon ein bisschen räudig“

Open-Air-Konzerte während der Pandemie waren nur der Anfang: Die Veranstaltungsagentur BonnLive, die während der Pandemie mit viel Mut, Leidenschaft und einem Händchen für kurze Dienstwege Konzerte in der Rheinaue, an der Nordbrücke und zuletzt auf dem Gelände vor dem Telekom Forum organisiert hat, plant eine dauerhafte Präsenz in der Bundesstadt. Derzeit baut sie die oberste Etage des Karstadt-Gebäudes in der Innenstadt zu einem Multifunktionssaal um, der dem Brückenforum Konkurrenz machen dürfte – und während die Arbeiten andauern, präsentiert der Ableger der Firma von Julian und Simon Reininger (Green Juice Festival) in eben jenem Brückenforum kurzerhand ein eigenes Comedy-Format, das beim Publikum hervorragend ankam. Trotz mancher Schwächen. Und zwei Absagen.

Für das Publikum war es schon eine herbe Enttäuschung, als bekannt wurde, dass Comedian Chris Tall an Corona erkrankt ist und daher den Auftritt in Bonn absagen musste. Zuvor war bereits Osan Yaran aus familiären Grunden ausgefallen – diese Hiobsbotschaft kam aber schon mit etwas Vorlauf, so dass die Organisatoren mit Tahnee einen hervorragenden Ersatz gewinnen konnten. Für Chris Tall konnte hingegen nur Marco Gianni auf, der sich mit Videos auf der Plattform TikTok eine große Fan-Basis erarbeitet hat. Doch was im Internet funktioniert, lässt sich nicht so einfach auf die Bühne übertragen: Gianni blieb im Brückenforum lediglich mäßig lustig, während er sich unter anderem an die wilde Raubkopier-Zeit der illegalen Video-on-Demand Webseite Kinox.to erinnerte. Starke Pointen konnte er nicht bieten, und auch wenn das Publikum dem 25-Jährigen durchaus wohlgesonnen war, endete die Show nicht mit einem Knall namens Chris Tall, sondern stattdessen mit einer eher ernüchternden Darbietung – und das, nachdem die Show eigentlich sehr stark begonnen hatte.

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Zugegeben, der erste Eindruck täuschte. Moderator Daniel Storb, der im Radio durchaus erfolgreich ist, erwies sich auf der Bühne als vergleichsweise schwach, doch schon der erste Gast des Abends konnte das mühelos kompensieren. Natürlich verfügt Ingmar Stadelmann über die entsprechende Erfahrung, aber auch über den nötigen Witz und vor allem über ein unvergleichliches Timing und ein Gespür für die Satire in Alltagsgeschichten. Genüsslich plauderte er aus dem Nähkästchen, erzählte von verstärkten Polizeikontrollen seit seiner optischen Neugestaltung („wenn ich meine Bürgerrechte zurückhaben will, muss ich mich erst einmal rasieren“), jonglierte mit logisch nicht immer nachvollziehbaren Bußgeldern im Straßenverkehr und zog schließlich genüsslich das Niveau nach unten, indem er Sauna-Erlebnisse in Ostdeutschland beschrieb und dabei in ihrer Peinlichkeit lustige Bilder generierte. Auch das muss man können. Und Stadelmann kann, ebenso wie Mirja Boes, die allerdings mitunter ein wenig übertrieb, während sie über Landungsstreifen beim Brasilian Waxing philosophierte, obwohl sie doch eigentlich die Stärken der Frau thematisieren wollte. Und es nicht schaffte. Dafür war aber immerhin ihr Bericht vom Leben als Fußball-Mama überaus unterhaltsam, zumal sie eigentlich die überzeichneten Szenen noch hätte toppen müssen, um endlich die vierte rote Karte von ihren Söhnen und damit eine Sperre am Spielfeldrand zu erhalten. Vielleicht beim nächsten Mal.

Während Mirja Boes ihre 20 Minuten so noch retten konnte, gelang dies Nico Stank nicht einmal ansatzweise. Dafür blieb er zu sehr an der Oberfläche, während er über das richtige Outfit für das erste Date nachdachte (Boleros sind wohl nicht zulässig), Tinder-Schocks und den „Bachelor“ verarbeitete sowie die anwesenden Damen traumatisierte, indem er eine Terrorfliege in eine Frauenarzt-Praxis einbrachte. Erstaunlich war dabei immerhin, dass Stank zwar einerseits seine Homosexualität ins Zentrum seines Programms stellte, dann aber doch immer wieder auf die Frauen zu sprechen kam. Warum auch immer. Nach der Pause bewies Tahnee dann, wie es besser geht. Gnadenlos spielte sie mit der Niveaulosigkeit von Reality-TV, drückte gelegentlich auf die Pause-Taste, um bestimmte Formulierungen auszukosten, und warnte unter anderem vor der Backpfeife des Todes, die allerdings die ein oder andere Sendung durchaus aufwerten könnte. Auch die Selbstbedienungs-Scannerkassen, die in immer mehr Supermärkten installiert werden, war für sie ein Thema, zumal sie darin auch ein gewisses gesellschaftskritisches Potenzial sah: Immerhin stünden Kassiererinnen am Rand und würden die Kundinnen und Kunden in der Handhabung genau jener Geräte unterweisen, die sie selbst in naher Zukunft überflüssig machen werden. Das kann im Kabarett oder in der Comedy so schnell nicht passieren. Hoffentlich. Wahrscheinlich. Vielleicht. Mal sehen.

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