Um es vorneweg zu nehmen schon mal die gute Nachricht: Die derzeitige Bundesregierung hat nicht alles falsch gemacht. Und manches sogar gut. Vieles aber nicht, und das ist das Problem. Anders kann es Peer Steinbrück nicht sagen, und dabei ist er nicht gerade ein Mann knapper Worte. Nun soll und will der SPD-Politiker Tacheles reden, ausgerechnet an einem Sonntagvormittag im Pantheon, zusammen mit dem Kabarettisten Florian Schroeder, mit dem ereit nunmehr sechs Jahren immer wieder auftritt, um das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen. Also redet er über das Problem mit dem Problem, aber auch über das Problem des Problems, also dessen Kern. Oder vielmehr dessen Kerne, denn so gerne man auch einfache Antworten sucht und am liebsten alles einer Person anlasten würde, ist die Situation doch komplexer. Und nicht an allem ist Olaf Scholz schuld.
Nein, einfach macht es sich Steinbrück wahrlich nicht. Vielmehr geht er insbesondere mit der eigenen Partei hart ins Gericht. Der verbockte Haushaltsentwurf, das katastrophale Heizungsgesetz, die
Bildungsmisere, all das und mehr geht auf die SPD zurück. Ja, nicht nur, die FDP und die Grünen waren auch beteiligt, aber erstere ist ohnehin der Erzfeind von Florian Schroeder und wird von
diesem einmal mehr mit Schimpf und Schade überzogen, und letztere haben sich schon selbst ins Bein geschossen, indem sie nahezu alle eigenen Ideale an Biohanf-Seilen aufgeknüpft haben und nun
darauf warten, dass daraus Dünger wird. Und kein Toxin. Wie auch immer, Steinbrück teilt zumindest in gewissen Bereichen ordentlich aus, hat aber auch Lösungsvorschläge parat. Einer davon: Die
Erbschaftssteuer erhöhen. Jährlich würden bis zu 400 Milliarden Euro vererbt (eine Schätzung; 2022 lag der Gesamtwert des steuerlich erfassten Vermögenstransfers bei 101 Milliarden Euro), bei
einem effektiven Steuersatz von 2,7 Prozent. „Die verteilungspolitische Achse ist Schrott“, fasst Steinbrück es zusammen. An dieser Stellschraube könnte man doch mal drehen – und das Geld dann
vollständig in die Bildung der Kinder stecken. Wäre mal ein Anfang. Und passt auf einen Bierdeckel, hätte also sogar eine Chance auf Erfolg.
Während Steinbrück mit trockenem Humor seine Einschätzungen der Lage gibt, sitzt Florian Schroeder an einem mächtigen Holzschreibtisch und mimt Markus Lanz, fragt nach, wenn es nötig ist, und
kommentiert selbst, wenn es opportun erscheint. Dabei muss er allerdings sehr aufpassen, dass er nicht zu sehr in die Polemik abgleitet, was schnell passiert. Wenn er sich allerdings im Zaum hat,
gelingen Schroeder tatsächlich gute Analysen, was nicht zuletzt bei einem Erklärversuch der Erfolge von Populisten gelingt. Schwieriger wird es dagegen bei einer Diskussion über die
Selbstausweidung der Linken, bei der gleichzeitig noch die Anti-Israel- beziehungsweise Pro-Palästina-Aussagen von Sarah Wagenknecht, Margot Kaesmann, Alice Schwarzer und Grea Thunberg sowie die
komplette kulturelle Aneignung hinzugemischt werden. Das führt zwangsweise zu einer Debatte mit der ein oder anderen Einsicht, die aber durch eine fehlende Trennschärfe gekennzeichnet ist. Dabei
wäre gerade an diesem Punkt ein wenig mehr Klarheit notwendig, geht es hier doch um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das viele andere Probleme erklärt, die es zugleich selber schafft. Doch
dafür reicht die Zeit nicht, trotz der immerhin zwei Stunden plus Pause, die Schroeder und Steinbrück zusammensitzen. Schade. Dennoch hat die Veranstaltung am Ende viele spannende Denkanstöße
gegeben und parallel für viel Gelächter gesorgt. Ein besseres Ergebnis kann politisches Kabarett kaum erzielen. Wer mehr wissen möchte: Der WDR hat die Matinee aufgezeichnet und wird Ausschnitte
sowohl im Fernsehen als auch im Radio senden.
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