Das muss man sich erst einmal trauen: „I want to sing ‚Just Us‘ with you“, steht auf einem Plakat, das ein junger Mann beim Konzert des britischen Alternative-Pop-Rock-Stars James Arthur im Palladium in die Höhe hält. Dieser Wunsch nach einem Duett ist ambitioniert und würde von nahezu jedem anderen Künstler konsequent ignoriert werden, weil das Risiko eines Reinfalls letztlich zu groß erscheint und gerade diese Nummer vom aktuellen Album „Bitter Sweet Love“ noch kein Selbstläufer ist. Doch James Arthur ist nicht so wie die anderen, zumindest in dieser Hinsicht nicht. Er beweist Mut, holt den besagten Mann auf die Bühne – und trifft damit die richtige Entscheidung. Beide harmonieren hervorragend miteinander, haben das selbe leichte Vibrato in der Stimme und die selbe Bühnenpersönlichkeit, die bei den Fans bestens ankommt. Diese hat Arthur durch die Aktion noch enger an sich gebunden als ohnehin schon, nur weil er einem der ihren eine Chance gegeben und dadurch einen der Höhepunkte des Abends geschaffen hat. Alle gewinnen, keiner verliert. Perfekt.
Ohnehin sind dem Zasusel mit der Glitzerhose und dem leicht rauchigen Rod-Stewart-Gedächtnis-Bariton seine vorwiegend jungen, weiblichen Fans wichtig. Immer wieder bezieht er die Menge mit ein,
lässt sich von ihr unterstützen und formt sie wie bei „Falling Like a Star“ zu einem fast 4000-köpfigen Chor mit ebenso vielen leuchtenden Smartphones, die das Palladium erstrahlen lassen. Nur
bei dem „The Greatest Showman“-Cover „Rewrite the Stars“, seinem Duett mit Sängerin Anne-Marie Rose Nicholson, wählt er eine andere Lösung. „Sie ist heute Abend hier“, ruft er, und das Publikum
rastet prompt aus. „Das war nur ein Scherz, nur ein Scherz“, besänftigt Arthur – und lässt die Stimme der 32-Jährigen vom Band einspielen. Eigentlich schade, passt doch ein Halb-Playback nicht
wirklich zum Bild eines Musikers, für den Authentizität eine ganz zentrale Rolle spielt.
Wie dem auch sei, das Publikum liegt Arthur zu Füßen, und das mitunter im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder kollabieren junge Damen im Saal, die mit der Enge und der stickigen Luft nicht
zurecht kommen; Arthur selbst unterbricht aus genau diesem Grund sogar seine Ballade „Naked“, um die Sanitäter in die Mitte des Raumes zu lotsen. Die Fans kommen nun einmal zuerst, auch wenn zwei
Minuten später, beim Auftakt zu „Certain Things“, die nächste Zwangspause entsteht. Dabei stehen die ganz großen Hits noch aus. „Impossible“ zum Beispiel, mit deren Interpretation Arthur vor elf
Jahren die Castingshow The X Factor gewann und die ihm zum Durchbruch verhalf. Oder „Say You Won’t Let Go“, jene Nummer, die zu Arthurs bisher größtem Erfolg wurde und in der Liste der am
häufigsten gestreamten Lieder bei Spotify auf Platz 16 steht. Mit diesem Lied lässt der 35-Jährige nach rund 100 Minuten ein euphorisiertes Publikum zurück.
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