Die Küche ist eigentlich schon zu. Die Uhr steht schließlich schon auf kurz vor zwölf – nicht nur beim Weltklima, sondern auch bei dem Umgang der Menschen miteinander. Da ist es doch kein Wunder, wenn im Gasthaus „Zum Menschenrecht“ viele Gerichte auf der Karte nicht mehr zu bekommen sind und am Herd nur noch Schmalhans den Löffel schwingt. Und dennoch haben die Gäste ständig Extrawünsche. Wirtin Christine Teichmann ist das gewohnt. Schön ist das nicht, lustig ebenso wenig, wohl aber satirisch brillant und damit für den alljährlichen Politischen Aschermittwoch im Pantheon das perfekte Hauptgericht.
Ohnehin hat Hauschef Rainer Pause in diesem Jahr ein herausragendes Programm zusammengestellt, um den Närrinnen und Narren nach Abschluss der Session den wohlverdienten aber jetzt abgelaufenen Spaß auszutreiben und sie zurück zum Ernst des Lebens zu führen. Dafür sorgen nicht nur die beiden chaotischen Schwadroniker Fritz Litzmann (Pause) und Hermann Schwaderlappen (Norbert Alich), sondern auch einige hochkarätige Gäste. Mit dem typisch wortgewittrigen Wilfried Schmickler und Matthias Deutschmann hat er zwei eloquente Altmeister eingeladen, mit René Sydow zudem den wahrscheinlich besten politischen Kabarettisten aus der Generation danach. Und dann eben noch die Teichmann, die einige unbequeme Fragen stellt – und eben nicht reflexartig auf die Rechten draufhaut, so gerne sie es auch täte. So einfach ist das nicht. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, zitiert sie aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. „Auch die ganz Rechten.“ Selbst dann, wenn diese die Menschenrechte mit Füßen treten. Das muss eine Gesellschaft aushalten. Was nicht heißt, dass sie nicht auch zurücktreten kann, nur eben mit etwas mehr Gefühl. Und darauf versteht sich Christine Teichmann meisterhaft. Doch auch dem Rest der Gesellschaft hält sie den Spiegel vor, entlarvt Heuchelei, Schönfärberei und Scheinheiligkeit. Mal versteigert sie Pflegekräfte für den 24/7-Einsatz, dann wieder spielt sie Schach, schwarz gegen weiß, mit einem Gewinner, der schon vorn vornherein feststeht, weil er nun einmal die Regeln festlegt. Großartig.
Doch auch René Sydow ist in Bestform. Sein Ansatz ist zwar viel direkter, erklärender und belehrender, aber nicht weniger treffsicher. Vor allem die rasante technische Entwicklung macht ihm zu
schaffen, weil nicht jede Veränderung auch ein Fortschritt sei. Er warnt vor den Gefahren sozialer Netzwerke (vor allem wenn diese von Versicherungen genutzt werden), berechnet den ökologischen
Fußabdruck einer einzelnen Google-Suche und nimmt sich den Deutschen vor, den Germanen, also übersetzt den Spießbürger. „Ich bin Deutscher“, rezitiert er, „ich bin eine Steigerung.“ Und als
Kabarettist ein Superlativ.
Derweil hält Matthias Deutschmann sich zurück. Schon seit 45 Jahren steht er auf der Bühne, da muss er sich nicht mehr über alles und jeden echauffieren. Erst recht nicht, wenn er sein geliebtes
Cello dabei hat, das ihm Entspannung verschafft, selbst wenn er über Sarah Wagenknecht in Passau spricht, über den einst ausgemerzten und wiederauferstandenen Friedrich Merz oder über die
umstrittene Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (DAVA), die der AKP von Recep Tayyip Erdoğan nahezustehen scheint. Und je schlimmer die Themen werden, umso ruhiger wird Deutschmann,
bis er schließlich beim apokalyptischen „Bad Moon Rising“ ankommt, diesem Hit von Creedence Clearwater Revival mit den schmissigen drei Akkorden. Ein bisschen Hoffnung, so die Botschaft, bleibt
noch.
Kommentar schreiben