Sari Schorr + The Cinelli Brothers: Den Blues im Blut

Was für ein Abend: Bluesliebhaber sind beim zweiten Doppelkonzert der aktuellen Crossroads-Ausgabe in der Harmonie ohne Zweifel auf ihre Kosten gekommen. Ach was, sie haben sogar mehr als das geboten bekommen. Viel mehr. Was die US-Sängerin Sari Schorr und die Cinelli Brothers im Rahmen des WDR Rockpalasts abgeliefert haben, lässt sich nur als Genuss bezeichnen. Kraftvoll, vielseitig und alles andere als gewöhnlich ließen beide Acts keine Wünsche offen. Außer dem nach mehr Musik.

Den härteren Klang hatte dabei Sari Schorr vorzuweisen. Dank einer unglaublich präzisen und zugleich überaus virtuosen Band, in der vor allem Gitarrist Ash Wilson immer wieder mit kurzen, aber brillanten Soli herausstach, konnte die Powerfrau mit der Fünf-Oktav-Stimme alle Register ziehen. Und von denen hat sie viele. Während ihrer Schul- und Studienzeit hatte man ihr geraten, Opernsängerin zu werden, und die klassische Ausbildung hörte man Schorr trotz ihrer rauen, wuchtigen Altstimme durchaus an – doch ihre Liebe zum Blues der härteren Gangart war offenbar stärker. Zum Glück. Ihr Volumen, ihr Stimmumfang und ihre Energie machen sie zu einer Naturgewalt, zu einem Rock-Orkan, der durch die Harmonie fegte und alles und jeden mitriss. Natürlich stellte sie vor allem ihr aktuelles Album „Joyful Sky“ vor, das sie zusammen mit dem Ex-Procul-Harum-Gitarristen Robin Trower aufgenommen hat, doch auch ältere Songs kommen zur Geltung, unter anderem „Damn the Reason“, in dem Schorr häusliche Gewalt thematisiert und Betroffene dazu aufruft, sich Hilfe zu suchen, statt still alles zu erdulden. Beim Publikum kam aber auch ihre entschleunigte Version von „Black Betty“ gut an, die der eigentlich zu Tode gespielten Nummer neues Leben einhaucht.

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The Cinelli Brothers waren im Anschluss deutlich lockerer unterwegs, wohlgemerkt ohne dass dies der Qualität oder der Intensität auch nur annähernd geschadet hätte. Die Band aus London pflegt einen paradoxerweise frischen Vintage-Sound, indem sie sich beim Südstaaten-Blues der 70er Jahre ebenso bedient wie bei Soul, Gospel und Rock’n‘Roll und all diese Einflüsse mühelos zu einem pulsierenden Stil zusammenmischt, der mit jedem Ton Lust auf mehr macht. So auch in der Harmonie: Drummer Alessandro Cinelli und sein Bruder Marco hatten einfach Spaß am Spiel, ebenso wie Gitarrist und Mundharmonika-Virtuose Tom Julian-Jones, der eine gewisse Ähnlichkeit mit John Popper (Blues Traveller) hat. Kein Wunder, dass die Band im Januar 2023 als einzige europäische Band bei der legendären International Blues Challenge in Memphis teilnehmen durfte und mal gerade eben auf den zweiten Platz kam. Bleibt zu hoffen, dass sie nach dem Crossroads-Auftritt nun auch in Europa entsprechend gewürdigt werden. Und dass sie bald wieder nach Bonn kommen. Das Publikum würde sich mit Sicherheit freuen.


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