Ein bisschen paradox ist es schon: Nach acht Jahren, in denen sich Bushido in erster Linie um seine Familie und um den langen Prozess gegen seinen Ex-Kumpel und Ex-Manager Arafat Abou-Chaker gekümmert hat, kehrt der ewige König des Rap, der „Rex in aeternum“, wieder zurück, um sich zu verabschieden. Diesmal endgültig, so heißt es. Noch eine letzte Tour, dann will sich der rehabilitierte „Staatsfeind Nr. 1“ in Dubai zur Ruhe setzen. Eine bittere Pille für seine Fans, die zu Zehntausenden zu seinen Konzerten pilgern, um ihn noch einmal live und in Farbe zu sehen. Auch in der Lanxess Arena wurde Bushido frenetisch bejubelt. Doch so ganz überzeugend ist der 45-Jährige nicht – zum Teil, weil er sich nicht so ganz entscheiden kann, wer er auf der Bühne sein möchte.
Drei Herzen, so könnte man in Anlehnung an Faust dichten, schlagen derzeit ach in seiner Brust: Für seine altgedienten Fans will Bushido wieder der knallharte Gangster-Rapper sein, das Alphatier des deutschen Rap, der im Laufe der vergangenen 25 Jahre 105 Titel in die Charts katapultiert hat und sich von niemandem den Mund verbieten ließ. Doch der Bad Boy aus Berlin-Tempelhof, der den verlorenen Jungs von der Straße eine Stimme gegeben hat, ist inzwischen 45 und weitaus ruhiger als früher. Die Wut und die Enttäuschung, die sich in aggressiven Texten und einem dazu passenden Image entluden, sind Gelassenheit gewichen. Auch dieser Mann will er sein, einer, der das Publikum brav mit „meine Damen und Herren“ begrüßt, einem elfjährigen Mädchen sein Handtuch schenkt und einem jungen Mann aus dem Publikum ein ziemlich schiefes „Happy Birthday“ singt. Na ja, die Geste zählt. Diese Facette ist fast schon übertrieben dominant und hat im vergangenen Jahr dazu geführt, dass Bushido sein Privatleben in einer RTL-Reality-Doku ausschlachtete. A propos Familie: Das wäre dann die dritte Seele, jene, die eigentlich nicht mehr Bushido sein will und auch nicht Anis Mohamed Youssef Ferchichi, sondern nur noch Papa. Es ist die ehrlichste seiner Facetten – zumindest wenn er sie aus dem Rampenlicht fernhält. Was in der Lanxess Arena nicht so ganz gelingt.
Dabei fängt das Konzert eigentlich gut an. Zugegeben, Bushido ist schon ein bisschen eingerostet und muss sich in mehr als einer Situation auf seinen Kollegen Animus alias Mousa Samir Ibn Jassir Amouei verlassen, der bei Bushidos Label „ersguterjunge“ unter Vertrag ist und seinen Mentor kontinuierlich unterstützt. Aber den Rhythmus hat der King of Kingz noch immer im Blut, und das Konzept des Abends ist ebenso einfach wie brillant: Eingeleitet von drei (zugegebenermaßen sehr pathetischen) Video-Clips lässt er sein Leben Revue passieren, erzählt von Lehrern, die ihn aufgegeben haben („Nie wieder“) und von seinen Wurzeln in Berlin-Tempelhof, später dann von Aufstieg und Fall, vom Bordstein zur Skyline und wieder zurück. Dann wird der Ton rauer, aggressiver, dunkler. „Du musst auch hart sein, wenn der Beat nicht mehr läuft“, tönt Bushido, der einst die Provokation liebte und geradezu stolz war, wenn die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (früher Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien) mal wieder eines seiner Lieder oder auch gleich ganze Alben auf den Index setzten. Das würde heute nicht mehr so schnell passieren, auch weil die Zeiten sich geändert haben. „Stress ohne Grund“ ist dafür das beste Beispiel: 2013 noch verboten, darf Bushido es jetzt völlig unzensiert zum Besten geben, sehr zur Freude des Publikums. Das entschädigt dann auch für so manch alberne Aktion, inklusive der peinlichen Lautstärkemessung, die mehrfach angekündigt wird, damit Bushido die Kölner mal wieder loben kann. „Das ist heute eines der besten Konzerte“, sagt er, und „ihr seid so gut erzogen.“ 2005 wäre das für ihn noch eine Beleidigung gewesen.
Diese Kontraste sind es denn auch, die das Konzert verwässern und einen Rapper zeigen, der auf der Suche nach sich selbst versucht, allen gerecht zu werden. Was davon ist echt? Wahrscheinlich weiß selbst Bushido das nicht. Am ehrlichsten ist er vielleicht noch bei „Sonnenbank Flavor“, das traditionsgemäß jemand aus dem Publikum darbieten soll, in diesem Fall Milva aus Mönchengladbach, die für ihre Heimatstadt erst einmal ausgebuht wird, sich aber sehr zuversichtlich gibt. Zumindest bis zur ersten Zeile. Dann kann Bushido nur mit den Augen rollen und einschreiten, um zu retten, was noch zu retten ist. „Du hast ziemlich scheiße gerappt“, sagt er am Ende. „Aber du bist ein nettes Mädel.“ Auch dieses Zugeständnis hätte Bushido früher nicht gemacht. Aber damals hätte er auch nicht gesagt, dass er für seine Familie alles opfern würde, sogar seine Karriere als Rapper. Ein schönes Statement – zumindest bis Bushido es mit der Inszenierung übertreibt und wie schon bei den vorherigen Konzerten zumindest den Teil der Familie, der nicht schon längst im Bett ist, auf die Bühne holt und öffentlichkeitswirksam ins Publikum winken lässt. Beim Publikum kommt diese Geste auf jeden Fall gut an und gibt noch einmal Kraft für die letzten Songs, bevor sich Bushido nach etwa zweieinhalb Stunden von Köln verabschiedet. Immerhin: Am 10. August tritt er noch auf dem Bonner KunstRasen auf, bevor die Tour zwei Wochen später in Kassel endet und der „ewige König“ zurück nach Dubai fliegt. Vielleicht für immer. Man wird sehen.
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