Olaf Rupp & Julia Kadel: Kommunikation und Improvisation

Die Definition von Musik ist so fluide wie nie zuvor: Das ist zumindest der Eindruck, den man während des Jazzfest-Konzerts von Olaf Rupp im Beethovenhaus gewinnen kann. Der Gitarrist, der in gewissen Kreisen einen exzellenten Ruf genießt, scheint sich auf jeden Fall um herkömmliche Kriterien nicht zu scheren. Alles Vorgefertigte und Niedergeschriebene lehnt er im eigenen Schaffen ab, Kompositionen mag er nicht – was er macht, ist reine Improvisation. Und die beginnt schon bei Melodie, Harmonie oder Rhythmus, die ebenso wenig eine Rolle spielen wie der Klang, dem er gewissermaßen das Messer an die Kehle hält und in den Keller spielt, damit das Geräusch seinen Platz im musikalischen Gefüge einnehmen kann.

Unter dessen Ägide ist dann nämlich alles zulässig, und diese Freiheit nutzt Rupp rigoros aus, sehr zum Leidwesen der Töne, die er zerhackt und zerstückelt, abwürgt und verscharrt, und das mit einer erstaunlichen Ausdauer. 50 Minuten ohne Pause holt er aus seiner akustischen Gitarre alles heraus, was das Instrument erlaubt. Dabei steht die technische Finesse des 61-Jährigen nie in Frage. Mühelos baut er Flamenco-Elemente in sein Spiel ein, erweist sich als virtuoser Finger-Picking-Spezialist und greift auch mal, instrumentenfremd, zum Bogen. Das muss man mögen – das Publikum tut es auf jeden Fall.

Dennoch dürften so einige Besucherinnen und Besucher aufatmen, als die Pianistin Julia Kadel zum zweiten Konzert des Abends auf die Bühne kommt und sich weitaus stringenter und kompakter gibt. Ihre Stücke sind immerhin fassbar, greifbar und nachvollziehbar, folgen einer gewissen Logik und nicht dem Zufall, auch wenn die charmante 38-Jährige ebenfalls sehr frei spielen kann. Sie jedoch holt das Publikum ab und lädt es in die eigene Gedankenwelt ein, erklärt Konzepte, vermittelt Botschaften (auch durch einige Gesangspassagen) und baut eine Beziehung zu ihren Zuhörern auf. Kein Wunder, dass sie nicht nur in ihren Trio-Stücken die Empathie als ein zentrales Element ihres Schaffens benennt, das in zahlreichen wunderschönen und vor allem harmonischen Sequenzen mündet.


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