„Schauen wir mal, was jetzt kommt“: Dieser Satz ist für Hubert Nuss mehr als eine Floskel. Zumindest bei seinem nachmittäglichen Jazzfest-Konzert im Collegium Leoninum ist besagte Formulierung der Kern seiner Musik, den Moment des Unerwarteten beschreibend, in dem die Improvisation endet und ein Standard beginnt. Welche das ist, wird im Vorfeld nicht verraten, und so muss das Publikum gut hinhören, um „Stella by Starlight“ zu erkennen oder Herbie Hancocks „Maiden Voyage“. Was es denn auch gerne macht, immerhin ist Nuss’ Pianospiel nicht weniger als ein Genuss, ästhetisch, lyrisch, gehaltvoll und unglaublich virtuos. Die Suche nach Tiefe und Schönheit ist die Maxime des Wahlkölners, während er mühelos über die Tasten des Flügels im Leoninum tanzen lässt und dabei immer die Augen und Ohren nach spontanen Alternativrouten offenhält. Mal sehen, wohin die Reise führt. Das Publikum folgt Nuss auf jeden Fall bereitwillig an einige überaus beeindruckende Ecken im Reich des Jazz und ist am Ende überaus begeistert.
Einen ähnlichen Zuspruch erhält auch Lisa Wulff, obwohl sie mit ihrem Trio einen etwas anderen Weg gewählt hat. Ihre Musik ist weitaus freier, ihr Klangempfinden eigenwilliger – und die Besetzung ohnehin speziell. Kontrabass (Lisa Wulff), Cello (Friedrich Paravicini) und Saxofon (Gabriel Coburger) ist schon eine ungewöhnliche Kombination, und wenn dann noch ein Ondes Martenot eingesetzt wird, wird es erst richtig schräg. Dieses Instrument stammt aus der Frühzeit der elektronischen Geräte, ist mit dem Theremin verwandt und wurde unter anderem von Olivier Messiaen, Edgar Varèse, Jacques Brel und Radiohead eingesetzt. Der synthetische Sound spricht zunächst einmal für einen starken Einsatz in der Avantgarde und in der Neuen Musik – doch das erspart Lisa Wulff dem Publikum weitgehend. Zwar gibt es durchaus Momente, in denen Strukturen dem Klang untergeordnet sind (etwa die ersten drei Minuten der „Stillen Stunde“) und Gabriel Coburgers Saxofon eher quietscht und trötet als singt, allerdings folgt stets eine zügige Rückkehr in einen von starkem Groove geprägten Jazz.
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