Angeblich besteht zwischen vielen eineiigen Zwillingen eine telepathische Verbindung. Ein Mythos? Vielleicht. Andererseits zeigen die Goldfarb-Zwillinge Laura und Lisa in ihren Kabarett-Theaterprogrammen eindrucksvoll, dass möglicherweise doch ein Körnchen Wahrheit dahinter steckt. Oder unglaublich viel Arbeit. Die perfekte Synchronizität der beiden Schauspielerinnen, die im Pantheon ihr neuestes Programm „Kaffee mit Kafka“ vorgestellt haben, ist auf jeden Fall bemerkenswert: Scheinbar mühelos sprechen sie umfangreiche Textpassagen parallel oder mimen – so wie direkt am Anfang – ihre jeweiligen Spiegelbilder. Doch so ganz einig sind sich die beiden nicht, wie sich im Laufe dieses überaus unterhaltsamen Abends herausstellt, der kafkaesk anfängt und psychoanalytisch endet.
Die beiden Berlinerinnen, Jahrgang 1984 und Alumni der Folkwang Universität der Künste, nutzen Kafka eigentlich weniger für seine absurden Erzählungen als vielmehr wegen der Einsamkeit, die in vielen seiner Texte ein zentrales Motiv ist. Der unglückliche Junggeselle Blumfeld ist in gewisser Weise ein Gegenentwurf zu den Zwillingen, die überaus geschickt mit Identität und Individualität jonglieren. Mal wollen sie beide die selbe Figur verkörpern, dann wieder grenzen sie sich bewusst voneinander ab, die eine von einem Haus auf dem Land träumend und die andere vom pulsierenden Leben der Metropole, in der man auch um halb drei in der Nacht noch eine Feder-Boa kaufen kann, wenn man nur möchte.
Nicht immer sind Lisa und Laura dabei klar in ihrer Aussage – eine Passage über Hilfshafermilchaufschäumer bei Starbucks ist letztlich nur verwirrend –, in ihren besten Momenten aber erfreulich tiefgründig und gesellschaftskritisch. Wenn sie den Zuzug von Kaninchen mit so manchen Vorurteilen gegenüber Migranten gleichsetzen, vor Salatisten warnen und sich letztlich doch mit den Karnickeln in all ihrer Vielfalt solidarisieren („knabbern wir nicht alle die selben Möhren?“), ist das literarisches Kabarett vom Feinsten. Und die Analyse des Märchens von den sieben Geißlein, das Lisa gerne der ersten Klasse einer Waldorfschule erzählt, weil immerhin heutzutage jeder jeden fressen kann und die Kenntnis guter Verstecke bei einem weiteren Erstarken der AfD durchaus von Vorteil sein könnte, ist ebenfalls köstlich, zumal der Wolf am Ende sogar wegen einer Identitätskrise auf die Couch muss. Kreide fressen und sich die Pfote bemalen, das ist nun einmal nicht wirklich wölfisch, die Implikationen sind aber dafür überaus amüsant. Intelligenter kann Kabarett-Theater kaum sein.
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