Thirty Seconds to Mars: Hohepriester mit Fan-Gesängen

Die Fans kommen bei Thirty Seconds to Mars zuerst. Klingt nach einer Plattitüde, stimmt in diesem Fall aber wirklich. Ja, Sänger und Schauspieler Jared Leto – beziehungsweise seine exzentrische Bühnen-Persona als Frontmann und Gründer der Band – ist fast gleichauf, aber eben nur fast. Das ist wichtig, mehr noch, das ist essentiell für das Phänomen dieser Band, die in mehr als 25 Jahren eine überaus treue Anhängerschaft versammelt hat, die sich gerne auch als Kult versteht, was wiederum gewissen Medien sauer aufstößt. Wie viel davon Inszenierung ist, lässt sich nur schwer sagen, doch angesichts des bombastischen Konzerts, das Thirty Seconds to Mars an diesem Abend in der Kölner Lanxess Arena darbieten und bei dem die Wünsche des Publikums immer wieder Priorität haben, ist zumindest eine Dynamik erkennbar. Und die spricht für Jared Leto. Und nicht gegen ihn.

Tatsächlich kann das Konzert bereits jetzt zu den Höhepunkten des Jahres gezählt werden. Von der ersten Sekunde an geben Jared Leto und sein Bruder Shannon am Schlagzeug alles, um den Menschen in der Halle eine fantastische Zeit zu bescheren. Schon früh dürfen einige von ihnen auf die Bühne kommen, um ein bisschen mit der Band zu feiern. Dabei kommt es zu ein paar skurrilen Szenen: Ein Mann aus Meschede hat sich schon im Vorfeld heiser geschrien und will dennoch das Mikro nicht mehr hergeben, mit dem er die Menge anheizt, was Leto ungeheuer amüsiert; ein paar Damen nutzen die Gelegenheit für ein schräges Selfie mit dem Oscar-Preisträger, der nur zu bereitwillig Grimassen schneidet; und einen etwas zurückhaltenden Jungen animiert Leto dazu, völlig aus sich herauszugehen. Starke Szenen – und das Konzert ist noch nicht einmal 20 Minuten alt.

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Musikalisch bieten Thirty Seconds to Mars einen Querschnitt der bisherigen Band-Historie. Große Hymnen wie „Kings and Queens“ mischen sich mit Synthi-Pop-Nummern wie „Seasons“ vom 2023 erschienen Album „It’s the End of the World but It’s a Beautiful Day“ und Klassikern wie „The Kill“. Auch hierbei darf übrigens das Publikum mitmischen: Zu Beginn eines kleinen Akustik-Sets reagiert Leto auf Liedwünsche, auch wenn er nicht mehr alle Nummern tadellos beherrscht und als guter, aber nicht überragender Sänger bei derartigen spontanen Aktionen ein paar Abstriche machen muss. In der Lanxess Arena ist das zu diesem Zeitpunkt aber längst egal. Die Geste zählt. Und spätestens als Leto mit „Do or Die“ beginnt, sind auch alle Unsicherheiten wieder verschwunden.

Mehr als zwei Stunden spielen sich Thirty Seconds to Mars sprichwörtlich die Seele aus dem Leib, auch wenn die einzelnen Musiker eigentlich fast permanent in den Schatten bleiben. Selbst Drummer Shannon Leto hat nur wenige Gelegenheiten, um zu seinem Bruder ins Rampenlicht zu treten, und sonderlich lang hält es ihn dort nie. Keine Frage, die an Konfetti, Ballons und Pyro-Effekten reiche Show ist eindeutig auf Jared Leto zugeschnitten, auf den Pop-Messias mit den großen Gesten und dem eigenwilligem Outfit aus der Wrestling-Kleiderkammer. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Über die Energie des 52-Jährigen dagegen nicht. Das sieht auch das Publikum so, das am Ende völlig ekstatisch ist, Leto samt Band bejubelt und sich noch ein paar Zugaben erklatscht. Also alles richtig gemacht. Die Fans sind glücklich – und die kommen bei Thirty Seconds to Mars eben zuerst.

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