Einen besseren Auftakt hätten sich die KunstRasen-Macher kaum wünschen können: Es ist warm und trocken, das Gelände ist mit rund 5500 Besucherinnen und Besuchern gut gefüllt, und The National feiern ihre Rückkehr auf die Live-Bühnen mit unbändiger Energie. Alles passt zusammen, selbst der Sound – die Organisatoren haben noch einmal kräftig in Schallschutz investiert, so dass die Musik auf dem Gelände deutlich lauter wirkt, und das bei Einhaltung aller Grenzwerte. Und so kann sich Sänger Matt Berninger mit seiner eigentlich sehr warmen Bariton-Stimme ganz ungeniert die Seele aus dem Leib schreien, während die beiden Brüderpaare Aaron und Bryce Dessner (Gitarren, Keyboards) sowie Bryan und Scott Devendorf (Schlagzeug und Bass) beständig zwischen filigranen, dahinplätschernden Klangteppichen und wuchtigem Arena-Bombast samt unverkennbarer Garage-Rock-Note wechseln. Was durchaus schön sein kann. Zumindest in Maßen.
Natürlich sind The National nur bedingt an Schönheit interessiert. Oder an guter Laune. Vor allem Berninger hatte schon immer eine melancholische, pessimistische Ader, die während der Corona-Jahre zu einer Depression samt Schreibblockade mutierte. 2023 gelang ihm dann der Durchbruch, was gleich in zwei Alben mündete. Diese fanden natürlich auch ihren Weg in die Setliste, von „Eucalyptus“ bis zu „Space Invader“. Das sonore Organ Berningers schwebt dabei über den Gitarren-Sounds der Dessners, ist ein bisschen abgehoben, getragen von einer fast messianischen Intensität. Passt zum Sänger: Berninger ist selbst nicht immer ganz präsent oder gar besonders achtsam, tanzt mit exaltierten Armbewegungen über die Bühne, stolpert über Kabelstränge, kauert sich dann wieder auf der Bühne zusammen oder singt eine Wand an. Ob das allerdings dem Alkohol geschuldet ist oder der exaltierten Gestik, die der 53-Jährige zu seinem Markenzeichen gemacht hat, lässt sich schwer beurteilen. Immerhin erweist sich Berninger als überaus souverän, als im Publikum eine Person kollabiert: Er unterbricht sofort das Konzert, ruft die Sanitäter und fordert das Publikum auf, Platz zu machen. In diesem Moment wäre Musik fehl am Platz gewesen. Erst als die Rettungskräfte wieder weg sind, geht es weiter.
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Mehr als zwei Stunden feuern The National aus allen Rohren, und auch wenn sich viele der musikalischen Motive, die in Endlosschleifen aus den Boxen schallen, erstaunlich ähneln, bejubelt das
Publikum euphorisch jeden neuen Song als Offenbarung. Zarte Stücke wie „Light Years“ oder „I Need My Girl“ haben dabei ebenso Berechtigung wie das massive „The System Only Dreams in Total
Darkness“. Besonders erwähnenswert ist auch „Rylan“, bei der Bess Atwell, die das Vorprogramm bestritten hat, zurück auf die Bühne kommt und mit Berninger ein charmantes Duett singt. Letzterer
müht sich übrigens wirklich ab, allen Erwartungen gerecht zu werden, tobt (und taumelt) über die Bühne, klettert mehrfach in den davor befindlichen Graben und nimmt bei den Zugaben auch mal ein
Bad in die Menge, das nur durch das Mikrofonkabel beschränkt wird. Nein, zu Kabeln hat Berninger an diesem Abend keinen guten Draht. Zum Publikum aber schon. Immerhin.
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