Ulrich Tukur: Auf Hamsterjagd im Großstadtdschungel

Ein bisschen irre ist Ulrich Tukur schon. Ein kleines, ein winziges bisschen, und das noch nicht einmal, weil er sich auf der Bühne der Bonner Oper als „James Bonn“ vorstellt und sich ein geradezu biblisches Alter zuschreibt (was er auf seine einstige Arbeit mit fossilisiertem Dinosaurierkot in der Werkstatt von August Oetker zurückführt). Nein, der Wahnsinn ist vielmehr, dass der Schauspieler, Pianist und Sänger inzwischen fast 30 Jahre lang mit seinen „Rhythmus Boys“ die Welt der Schlager und Evergreens wiederbelebt und damit offenbar nicht aufhören kann. Was ein Glücksfall für das Publikum ist. Am vergangenen Sonntag beschloss er auf diese Weise die Spielzeit 2024 der Reihe „Quatsch keine Oper“, mit allerlei Evergreens, Gedichten und Anekdoten irgendwo zwischen Wahrheit und Auslegung. Und mit jeder Menge Spaß.

Ob nun mit Musik oder mit Worten, Ulrich Tukur ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Einer, der ganz genau weiß, bis zu welchem Punkt er etwas hinzudichten kann. „Ist alles Quatsch, aber das ist ja egal“, sagt er irgendwann über seine Moderationen – was übrigens nicht so ganz stimmt. Nur halb. Denn ob er nun gerade Unsinn verzapft oder nicht, ist tatsächlich zweitrangig angesichts der Leichtigkeit, mit der er und seine drei ebenso irrsinnigen wie brillanten Kollegen zu Werke gehen. Für ihr aktuelles Programm „Es leuchten die Sterne“ hat sich die selbsternannte älteste Boyband der Welt auf die Klänge der Metropolen jener Zeit eingegroovt, auf Songs aus Berlin und New York, auf „Puttin’ on the Ritz“ und auf „Über den Dächern der großen Stadt“. Da werden Cole Porter und Irving Berlin in einem Atemzug mit Rudi Schuricke genannt – allesamt Persönlichkeiten, die der kaum alternde Tukur in den 1920ern kennengelernt haben will –, nächtliche Partys „von Acht bis um Acht“ besungen und der „Continental“ als Modetanz gefeiert, als ob es kein Morgen gäbe.

A propos Tanz: Den gibt es nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Schließlich brennt Bassist Günter Märtens für das Parkett und präsentiert neben einem indigenen Paarungstanz aus der Nähe von Oberwinter auch das ein oder andere Pas de deux mit Drummer Kalle Mews. Dass beide rund 50 Zentimeter Körpergröße trennen, ist dabei zweitrangig; viel wichtiger ist, dass derartige Einlagen nicht in die Lächerlichkeit abgleiten, sondern ebenso souverän auf der Grenze balancieren wie die trockenen Solo-Ankündigungen von Gitarrist Ulrich Mayer, die immer viel versprechen und ganz bewusst wenig halten. In diesem Rahmen kann man das machen. Und Tukur? Deklamiert kurzerhand Rielkes „Der Hamster“ (eigentlich „Der Panther“, aber wer kann die Viecher schon voneinander unterscheiden), flitzt über die Tasten und singt genüsslich „Everybody Loves My Baby, but My Baby Don't Love Nobody but Me“. Die kecken Arrangements sind dabei ein wahrer Genuss und hauchen den Songs tatsächlich neues Leben ein: Hervorragend vor allem „Nasse Lyrik“ mit allerlei akustischen Effekten sowie das gnadenlos überzeichnete „Let’s Misbehave“, bei dem die Band aus dem Vollen schöpfen kann. So machen Schlager Spaß.

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