Bruce Dickinson liebt die großen Gesten. Der Sänger von Iron Maiden ist berühmt für theatralische Auftritte und epische Inszenierungen, für ausufernde Choreographien und sorgfältig instrumentierte Geschichten. Nun hat die Metal-Legende diesen Maximalismus im Rahmen seiner „Mandrake Project“-Tour im Palladium zelebriert und ein phänomenales Konzert gespielt, bei dem fast alles stimmte. Während Spanien bei der Fußball-EM Frankreich aus dem Turnier kickt, geben Dickinson und seine Band Vollgas – und setzen im Laufe des Konzerts immer wieder noch einen drauf.
Schon beim Opener „Accident of Birth“ macht Bruce Dickinson keine halben Sachen. Der Klassiker – das Stück hast immerhin schon 27 Jahre auf dem Buckel – unterscheidet sich stilistisch kaum vom
epochalen Maiden-Sound, was dem Publikum nur recht ist. „Abduction“ macht ebenfalls Druck nach vorne, nicht zuletzt dank der fulminanten Arbeit von Drummer Dave Moreno und Wirbelwind Tanya
O’Callaghan am Bass. Mit „Laughing in the Hiding Bush“ geht Dickinson dann ganz weit zurück, ebenso wie mit „Faith“, was beim Publikum gut ankommt. Die letztgenannte Nummer ist übrigens einem
ganz besonders treuen Fan gewidmet, erzählt Dickinson: Dieser sei ihm und seiner Band von Konzert zu Konzert gefolgt, habe aber in den sozialen Medien mehrfach beklagt, dass „Faith“ nicht
gespielt wurde. Dem habe man nun Rechnung getragen.
Nach diesem ersten Block wendet Dickinson sich nun dem neuen, von Kritikern hochgelobten Album „The Mandrake Project“ (auf deutsch: „Das Alraunen-Projekt“) zu: „Afterglow of Ragnarok“ ist ein
postapokalyptisches Stück mit jeder Menge Bombast, vielseitig wie ein „Avantasia“-Song, aber deutlich wuchtiger und vor allem nicht ganz so fokussiert auf den Sänger. Klar, Dickinson sucht immer
wieder das Rampenlicht, aber er tritt genauso gerne in die Schatten, damit seine Band-Kollegen zur Geltung kommen. Bei dieser Nummer strahlt vor allem Keyboarder Luco Dei Marsi alias Mistheria,
der wie ein Derwisch über die Tasten huscht; an anderer Stelle können aber auch die beiden Gitarristen Philip Näslund und Chris Declercq glänzen, auch wenn ihre Instrumente mitunter ein wenig zu
metallisch klingen, so wie beim Intro zum erhabenen „Tears of the Dragon“. Aber gut, das ist Geschmackssache.
Im weiteren Verlauf gestalten Dickinson und Co noch etliche Höhepunkte. Dazu gehört zweifelsfrei das vom britischen Dichter William Blake inspirierte „Jerusalem“, das längst nicht bei jedem
Konzert der Tour zu hören war und von den Fans ganz besonders euphorisch gefeiert wurde. Die sparsam instrumentierte Hymne ist vergleichsweise weit entfernt vom typischen Maiden-Sound, doch
gerade dadurch sticht die Nummer heraus. Doch auch „Rain on the Graves“ (ebenfalls vom „Mandrake“-Album), die Power-Nummer „The Alchemist“ und das Edgar-Winter-Group-Cover „Frankenstein“ erweisen
sich als extrem stark, ebenso wie das eindringliche „Navigate the Seas of the Sun“.
Nach gut zwei Stunden (und damit deutlich länger als zunächst angedacht) verabschieden sich Bruce Dickinson und seine hervorragende Band von der Bühne. Insbesondere Tanya O’Callaghan, die zuletzt
mit Whitesnake tourte und für Aufmerksamkeit sorgte, wird dabei mit tosendem Applaus bedacht – zu Recht, auch wenn alle Musiker in Köln eine exzellente Leistung abgeliefert haben. Und Bruce
Dickinson? Hat einmal mehr gezeigt, dass es nur wenige Metal-Sänger gibt, die es in Sachen Vielseitigkeit und Energie mit dem 66-Jährigen aufnehmen können. Insofern besteht auch Hoffnung, ihn
bald wieder in der Domstadt begrüßen zu können. Ob mit Iron Maiden oder auf Solo-Pfaden: Es wird auf jeden Fall ein Erlebnis.
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