Zucchero: Zuckerinfusion mit Schmalz- und Blues-Note

Eigentlich müsste auf dem KunstRasen an diesem Donnerstagabend ein Warnhinweis für Diabetiker stehen: Vorsicht, Zucker in der Luft. Doch das würde in die Irre führen, denn auch wenn Zucchero, der nach dem italienischen Wort für Zucker benannte Rock-Star aus der Romagna, den ein oder anderen extra-süßen Klammerblues a la „Senza una Donna“ im Gepäck hat, so lässt sich die Musik des 68-Jährigen längst nicht nur darauf reduzieren. Seit nunmehr 40 Jahren verknüpft er überschwenglich-expressive Emotionen mit bombastischer Instrumentierung einerseits und der Cantautore-Tradition seiner Heimat andererseits, erweitert um das Zwölftakter-Feeling, das er sich bei den Kollegen aus den USA abgeschaut hat und das gar wunderbar zu seiner markigen, kratzenden Stimme passt. Auf dem Bonner KunstRasen lässt er sich auf jeden Fall nicht lumpen und beschert dem Publikum zusammen mit seiner herausragenden Band einen unvergesslichen Abend.

Zuccheros mächtiges Organ hat sich bis heute seine Kraft bewahrt. Mag der Sänger auch mitunter ein bisschen zittrig wirken, so ist er stimmlich ohne Frage in Top-Form. Schon „Spirito nel buio“ rockt, ebenso wie seine große Freiheits-Hymne „Partigiano reggiano“ oder das herrlich pulsierende „L’Urlo“; und dann wäre da noch „Facille“, bei dem allerdings Background-Sängerin Oma Jali, die das Konzert mit einer intensiven Version von Gershwins „Oh, Doctor Jesus“ eröffnet hat, eindeutig die Oberhand hat. Sie ist der eigentliche Star des Abends, eine herausragende Soul-Sängerin mit Grazie und Ausstrahlung, die bei dem Duett Zucchero ebenso an die Wand singt wie einst Aretha Franklin ihren Film-Ehemann Matt Murphy in „Blues Brothers“. Was für eine Wucht! Wie gut, dass sie später noch „Nutbush City Limits“ von Ike und Tina Turner mit der Band zum Besten geben kann.

Diese druckvollen Nummern bilden einen idealen Gegenpol zu den typischen Balladen, von denen Zucchero natürlich auch einige im Gepäck hat. „Dunne Mosse“ etwa, ein typischer Klamnmerblues mit laszivem Saxofon, oder „La Canzone che se ne va“. Auch „Un Soffio Caldo“ gehört in diese Kategorie, ein Stück, bei dem Zucchero sich auch mal hinsetzt und selbst zur Gitarre greift. Und dann wären da noch jene pompösen Stücke, bei denen alle Register gezogen werden und die nur so vor Schmalz triefen, so wie „Misere“, das legendäre Duett mit Luciano Pavarotti, der wie schon beim letzten Bonner Konzert vor nunmehr sieben Jahren extra von den Toten auferweckt wird. Solche Stücke können schnell peinlich werden, wenn der Kitsch Oberhand nimmt oder zu sehr auf die Tränendrüse gedrückt wird. Zum Glück hat Zucchero aber eine Band im Rücken, die mit doppeltem Schlagzeug, Gitarren, Bass, Orgel und drei Bläsern alles vergolden können und die bei „Diavolo in Me“ sogar dem Funk huldigen dürfen. Nicht zuletzt dank dieser Formation vergehen die knapp zwei Stunden wie im Flug. 4500 Fans sind am Ende selig, feiern die Liebe, den Schmerz und das Leben gleichermaßen und liegen sich bei „Senza Una Donna“ in den Armen. Typisch Zucchero.

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