The Cult: Hymnen eines Rock-Schamanen

Ja, Ian Astbury kann es noch. Singen, natürlich. Oder spricht man vielleicht doch lieber von predigen? Immerhin ist Astbury nicht irgendwer. Der Hohepriester von The Cult weiß ganz genau, wie er Menschen in seinen Bann zieht, wie man sie hypnotisiert und verzaubert mit wuchtigem Rock, der angeblich irgendwo zwischen Prä-Gothic und Post-Punk verordnet ist und der doch in kein herkömmliches Raster fällt. Zum 40. Jubiläum spielt die Kultband nun im Carlswerk Viktoria und zeigt, dass sie noch immer ihre Magie zu weben vermag. Selbst an einem Ort, der streng genommen zu klein für sie ist.

Tatsächlich platzt das Carlswerk Viktoria aus allen Nähten. Kein Wunder, haben sich The Cult doch seit jeher auf dem Kontinent rar gemacht, und auch 2024 sind sie für lediglich drei Konzerte in Deutschland. Gleichzeitig galten die Briten in den 80ern als ähnlich stilprägend für Gothic Rock und Punk Rock wie The Clash, wenn auch eher in ihren ersten beiden Inkarnation als (Southern) Death Cult; mit der Umbenennung in The Cult orientierten sich Astbury und Gitarrist Billy Duffy als die beiden zentralen Akteure der Band eher in Richtung Mainstream. Mit Erfolg, erweist sich das Publikum seither als bunt gemischt – und an diesem Abend als überaus euphorisch. Als The Cult gegen 21.15 Uhr endlich die Bühne betreten, ist der Jubel ohrenbetäubend. Die Band legt denn auch gleich los mit einer beeindruckenden Retrospektive vom Debütalbum „Dreamtime“ bis hin zur aktuellen CD „Under the Midnight Sun“ (2022); letzteres wird allerdings mit „Mirror“ als einzigem Stück geradezu stiefmütterlich behandelt, der Fokus liegt ganz klar auf den Klassikern. „She Sells Sanctury“, „Rain“, „Sweet Soul Sister“ oder „Ressurection Joe“ werden ausgiebig gefeiert, während Ian Astbury beweist, dass er immer noch gut bei Stimme ist. Ab und zu, etwa bei „The Witch“, knödelt und presst er zwar ein bisschen zu stark (einer der wenigen Verweise auf die Gothic-Vergangenheit), überzeugt aber ansonsten mit beschwörenden Rock-Passagen seines kraftvollen Organs. Auch Duffy erweist sich in Topform, vor allem wenn er eines seiner Soli spielen darf. Ja, er kann es auch noch. Bessere Kultisten kann man sich eben einfach nicht wünschen.

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