Silbermond: Zwischen Pathos und Rock

Es ist fast wie eine kleine Zeitreise: 20 Jahre nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Verschwende deine Zeit“ sind Silbermond auf den KunstRasen gekommen, und für manche der rund 5500 Besucherinnen und Besucher ist es wieder genau so wie damals, in den frühen 2000ern, als der Deutschrock geradezu explodierte und die Songs von Stefanie Kloß und Co im Radio in Dauerschleife liefen. „Symphonie“, „Durch die Nacht“ oder auch „Das Beste“ gehörten zum Soundtrack der letzten Millenials, weichgezeichnete Pop-Balladen und gefällige Rock-Nummern zwischen Weltschmerz und idealisierter Liebe. Mit ihrer „Auf Auf“-Tour wollen Silbermond nun an alte Erfolge anknüpfen – und erweisen sich 17 Jahre nach ihrem letzten Bonn-Konzert zumindest vorübergehend als erfreulich druckvoll.

Die erste große Überraschung des Abends ist allerdings das Publikum. Natürlich sind viele alte Fans  in die Gronau gekommen, um die Helden ihrer Jugend zu feiern, doch dazu gesellen sich etliche junge Menschen, die vor 20 Jahren noch gar nicht geboren waren, dafür aber erstaunlich textsicher sind. Ob das auf die Teilnahme von Sängerin Stefanie Kloß in allen möglichen Castingshow-Jurys zurückzuführen ist oder einfach damit, dass Silbermond nie völlig von der Bildfläche verschwunden waren, lässt sich nicht eruieren. Vermutlich ist es eine Mischung aus beidem. Der Jubel, das dann eine Viertelstunde früher als ursprünglich geplant über den Platz tönt (die Band hat kurzfristig beschlossen, wegen einer angeblich nahenden Unwetterzelle jetzt schon loszulegen), vereint auf jeden Fall die Generationen. Silbermond nehmen die Energie dankend auf – und rocken. Vor allem die Vereinigungs-Hymne „Meer sein“ klingt live tausendmal besser als jede Aufnahme, was natürlich auf die Ausstrahlung von Stefanie Kloß und ihrer herrlich warmen Stimme zurückzuführen ist, aber auch auf eine Band, die hungrig ist und von der ersten Sekunde lang alles gibt.

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Leider kann das nicht jede Nummer retten. Dafür sind viele Songs zu generisch, zu beliebig, zu brav, mit Texten voller Pathos und poetischer Klischees. Das war schon immer die größte Schwäche von Silbermond, die eben nicht wie Wir sind Helden von der Hamburger Schule inspiriert waren, sondern eher Richtung Xavier Naidoo schielten, wie sie 2009 mal in einem Interview offenbarten. Deutlich wird dies auf der kleinen B-Bühne mitten im Publikum, die Stefanie Kloß immerhin in echter Rocker-Manier via Crowdsurfing erreicht. Das reduzierte, emotionale „Zusammen Abschied“ ist noch stark, „Krieger des Lichts“ dagegen nur noch banal. Dem Publikum ist das egal: Es singt fröhlich auch dann noch ihre „Oooohooo“-Chöre, als das Stück eigentlich schon vorbei ist. Die Band ist tief berührt, reißt sich zusammen und verleiht dem zuerst dahindümpelnden „Ja“ nach der Rückkehr auf die Bühne eine Stadion-Inszenierung, samt der dazu gehörenden großen Gesten ihrer Sängerin.

Immer wieder geht es auf und ab. „Auf Auf“ mit seinem einfältigen Umpta-Beat ist gefährlich nah am Schlager dran, „Engel“ kommt dann aber wieder gut, zumindest nachdem Silbermond aufhören, das Stück einfach nur nett zu gestalten und stattdessen den Rock zurückholen. „Symphonie“ verzaubert natürlich die Fans, „Leichtes Gepäck“ ebenso. Und dann die Zugaben: „Das Beste“, „Wenn’s am Schönsten ist“, „Bestes Leben“. Superlative der Gefühlsduselei. „Ich denk mir hey hey hey, Ich hau hier nur ab gegen meinen Willen.“ Viele Fans dürften diese Aussage aber wohl unterschreiben, gepaart mit der Hoffnung, dass der nächste Auftritt von Silbermond nicht wieder 17 Jahre auf sich warten lässt.

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