„La Pharmiglia“: Im Zweifel ein Psychoboli

Ach ja, die Pharma-Branche. Mächtig, gierig und skrupellos knüpft sie in den Schatten ihr Netz und vertreibt von dort aus Medikamente zu Mondpreisen, die überhaupt nicht helfen, zumindest nicht den Patientinnen und Patienten. So stellen es zumindest Melanie Haupt und Judith Jakob dar. Die beiden Kabarettistinnen tauchen in ihrem Stück „La Pharmiglia – Organisiertes Gebrechen“ in die Weißkittel-Szene ein, legen die Schwächen des deutschen Gesundheitssystems offen und rechnen – häufig singend – mit der Pillen-Mafia ab. So auch im Haus der Springmaus, wo sie durchaus einige spannende Geschichten zu erzählen haben, oft aber auch an der Oberfläche bleiben. Und zu sehr auf plumpe Komik setzen.

Im Mittelpunkt von  „La Pharmiglia“ steht der gebrechliche Pate Big Pharma, dessen Familienunternehmen in finanziellen Schwierigkeiten steckt, insbesondere da das Patent für das wichtigste Medikament der Firma ausläuft. Zusammen mit seiner Nichte Pille, die seine Nachfolgerin werden soll, sucht Big Pharma nach einer Alternative, irgendeinem Mittelchen, das man mit gefälschten Studien und Statistiken sowie einer überdimensionierten Werbekampagne auf den Markt bringen kann. Doch ist das schwieriger als gedacht – zumindest einige Schutzmechanismen in Deutschland scheinen also doch zu greifen, darunter das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), das offenbar genauer hinguckt, als es den Medizin-Gangstern lieb wäre. Die greifen allerdings auch zu allen nur denkbaren Tricks: Mal versuchen sie, einen alten Wirkstoff für eine neue Krankheit zuzulassen, dann wieder greifen sie zu Globuli. Letztere sollen ihrer Strategie zufolge gegen psychische Erkrankungen helfen, da ja die meisten Antidepressiva ohnehin schon fragwürdig seien; tatsächlich soll verschiedenen Studien zufolge deren Wirksamkeit von denen eines Placebos nur bedingt zu unterscheiden sein, angesichts eines doch recht komplexen Krankheitsbilds ist eine Pauschalisierung nicht nur wissenschaftlich, sondern auch kabarettistisch riskant. In „La Pharmiglia“ kommen Pille und Co mit den genannten Globuli auf jeden Fall nicht weit.

Immer wieder greifen Haupt und Jakob verschiedene umstrittene Mittel auf, reden über Cholesterin-Senker sowie über die Contagan- und die Oxycodon-Skandale. Wichtige Themen, über die viel zu wenig geredet wird und die durchaus Fragen hinsichtlich der Kontrolle von Arzneimittel-Zulassungen aufkommen lassen. Auch die extremen Belastungen in den Krankenhäusern, in denen Wirtschaftlichkeit mitunter wichtiger sind als der hippokratische Eid, werden angesprochen oder in gnadenlos überzeichneten Szenen karikiert. Auf der anderen Seite stehen dagegen die eher alberne Big-Pharma-Handlung und so manches Lied. Das muss sein, so betonen die beiden Damen bereits zu Beginn des Programms, immerhin könne man nicht gleichzeitig Angst haben und singen, und bei den Machenschaften der Pharma-Branche würde ersteres nicht ausbleiben, wenn man nur erzählt. Stimmt schon, und musikalisch ist das alles gut gemacht, immerhin sind sowohl Haupt als auch Jakob ausgebildete Sängerinnen; letztere hat zudem einige Musical-Erfahrungen gesammelt, und zusammen mit Haupts Duo-Partner Jonathan Bratoëff (Gitarre und Bass) kann da nicht viel schiefgehen. Inhaltlich sind die Stücke aber eher dem Klamauk nahe als dem Kabarett, was gerade angesichts der Relevanz des Themas schade ist. Keine Frage, Lachen ist gesund – aber ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit hätte „La Pharmiglia“ auch nicht geschadet.

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