Andreas Langsch: Das Streben nach Entschleunigung

Im Grunde geht Andreas Langsch alles zu schnell. Die Daten prasseln nur so auf ihn ein, die Nachrichten aus den Filterblasen, die „Gefällt mir“-Reaktionen, die Fragen nach einem neuen Programm, die Katzen-Videos und das Weltgeschehen, das längst nicht mehr nur in der Tagesschau aufgearbeitet wird, sondern quasi live miterlebt werden kann, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. „Ich komm nicht mehr mit“, klagt der 35-jährige Klavierkabarettist, der bei seinem ersten Besuch in der Lounge des Bonner Pantheons allerlei Lieder zum allgegenwärtigen Wahnsinn und zu den Herausforderungen seiner Generation Y mitgebracht hat. Und die kommen durchaus an, auch wenn Langsch mitunter ein bisschen hektisch wirkt, weil er seine eigenen Ratschläge nicht beherzigt – beziehungsweise mitunter nicht berücksichtigen kann. Aber schön langsam und der Reihe nach.

Langsch tut sich schwer mit der Welt. Ja, auch er kann schnell sein, gar rasant, wie er bei einem Lied beweist, in dem er die technische Entwicklung von der Dampfmaschine bis zum Internet nachzeichnet. Aber eigentlich sehnt er sich nach Ruhe. Einfach mal entschleunigen, das wäre schön, und zwar möglichst ohne piepsende Handys – und ohne Reiher, der das Idyll eines sich friedlich ausbreitenden Sees mit einer mörderischen Attacke auf die Fische zerstört. Kann der sich nicht mal zurückhalten? Dabei ist doch alles schon schwer genug, vor allem für Langsch, für den selbst ein Hochzeitsantrag mit zahlreichen Hindernissen und dem ein oder anderen Fettnäpfchen gepflastert ist. Diese und andere Katastrophen verwandelt der studierte Musical-Darsteller in überraschend komplexe Kompositionen. Nicht immer tut er sich dabei einen Gefallen, wenn er mitten im Lied die Struktur grundlegend ändert, vor allem wenn er dadurch hektisch wird – andererseits ist es schon schräg, wenn er für seine Tochter Thomas singt, die er deshalb so genannt hat, damit ihre Chancen auf einen Dax-Vorstandsposten maximiert werden (dieser Vorname ist an der Spitze von großen Konzernen am verbreitesten).

 

Das scheint anzukommen, immerhin reitet er derzeit auf einer Erfolgswelle: 2023 hat er sowohl beim Bielefelder Kabarettpreis als auch bei der St. Ingberter Pfanne doppelt abgesahnt (Jury- und Publikumspreis). Dazu hat sicherlich sein Charme beigetragen – und die Tatsache, dass er nicht nur singen und Klavier spielen, sondern auch steppen kann. Im Pantheon behindert ihn dabei zwar ein Teppich unterm Flügel, eine Lösung findet Langsch aber trotzdem. Dann erzählt er vom Paradigmenwechsel, von dem Übergang vom homozentrischen zum datazentrischen Weltbild, von klingelnden Tapeten, sprechenden Kühlschränken und schreibenden Schaufensterpuppen. Eine Dystopie aus dem Jahr 2100. Die Technologie herrscht über den Planeten, alles ist nur eine Frage des Algorithmus. „Und wo ist da der Mensch?“, fragt Langsch. Der hat wohl den Anschluss verloren, ist unter die Räder gekommen, überrollt vom Fortschritt, den keiner ausgebremst hat. Noch lässt sich das ändern, noch können wir entschleunigen. Wäre vielleicht eine Überlegung wert...

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