Treesha: Jede Menge Juice

Zweites Album, erste Tour unter eigenem Namen, keine Kompromisse und jede Menge Spaß: Treesha scheint mit „Love, Scars & Attitude“ endgültig aus dem Schatten ihres Mentors Gentleman herausgetreten zu sein. Die charismatische Sängerin gehört nun einmal nicht in den Hintergrund, sondern ins Rampenlicht, wo sie ihre Leidenschaft für die Musik ausleben und ihre fantastische Altstimme ausloten kann. In Bonn und damit nahe ihrer Wahlheimat Köln hat sie nun mit einem überzeugenden, begeisternden Konzert Bilanz gezogen – und die fällt im Großen und Ganzen gut aus.

Der größte Wermutstropfen ist, dass die Harmonie nicht voll ist. Offenbar haben sich die Qualitäten Treeshas in der hiesigen Reggae-Szene noch nicht herumgesprochen: Die gebürtige Kenianerin verfügt über ein umwerfendes Organ, warm und kraftvoll, perfekt geeignet für R’n’B, Gospel und Soul oder eben für hochwertigen Reggae, der sich nicht ausschließlich über den Rhythmus definiert, sondern nach mehr strebt. Dafür hat Treesha offenbar die richtigen Leute um sich geschart. Ihre fünfköpfige Band sowie zwei Backgroundsängerinnen sorgen für einen vollen Klang; irritierend ist nur die hohe Fehleranfälligkeit an diesem Abend, die dazu führt, dass Treesha mehrmals Stücke abbrechen und neu ansetzen lassen muss. Das Publikum nimmt all dies aber gelassen. So lange es nicht selber singen muss, ist alles gut – wenn es dann aber aufgefordert wird, ein paar Silben zu wiederholen, wirkt es fast schon schüchtern. Allerdings gibt es Ausnahmen, unter anderem einen jungen Mann, der sich nur zu gerne auf ein kleines Call-and-Response-Duett mit Treesha einlässt und sich dafür auch das Mikro geben lässt.

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Derartige Erlebnisse geben Treesha zusätzliche Energie. Dabei hat sie schon jede Menge „Juice“, wie sie bei einer Nummer singt, hat Kraft und Saft und den Willen, sich durchzusetzen. Den braucht sie auch im Musikgeschäft. „Für uns Frauen ist es ganz besonders schwer, sich zu behaupten“, sagt sie. Doch kleinkriegen lässt sich Treesha nicht. Kleinhalten hoffentlich ebenso wenig. Entsprechende Songs hat Treesha auf jeden Fall im Repertoire, Stücke, die Empowerment im Sinne von weiterführender Emanzipation fordern und Mut machen sollen. „Gemeinsam sind wir stark“, ruft sie – diese Botschaft ist allerdings geschlechterunspezifisch, soll alle ansprechen, die Treesha zuhören wollen. Und wer einfach nur tanzen möchte? Ist ebenfalls herzlich willkommen. Bleibt nur zu hoffen, dass Treesha am Ball bleiben wird. Beim nächsten Konzert in Bonn sind dann mit etwas Glück mehr Besucher da – weniger als einen ausverkauften Saal hat diese Powerfrau wahrlich nicht verdient.

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