Erja Lyytinen: Besser als Kaffee

„Ich sage euch, wenn ihr aufwachen müsst“: Ja, das tut Erja Lyytinen tatsächlich. In der Mitte ihres Konzerts in der Harmonie hat die Finnin mit den heißen Saiten ein kleines Wiegenlied eingebaut, damit das Publikum zumindest ein paar Minuten lang verschnaufen kann. Wäre jetzt nicht zwingend nötig gewesen, dafür ist das offizielle Set mit gerade einmal 75 Minuten nicht lang genug, aber die Geste zählt, zumal ihre Fans ansonsten Feuer und Flamme sind und den krachenden Bluesrock der 48-Jährigen ausgiebig feiern. Zu Recht – zumindest was Lyytinen angeht.

Die Rockröhre lässt tatsächlich nichts anbrennen, singt mit ihrer facettenreichen Stimme voller Leidenschaft von Rachephantasien („Diamonds on the Road“) und geplatzten Hochzeitsträumen („Wedding Days“), wandelt mal in souligen Gefilden („Bad Seed“) und dann wieder im Hoheitsbereich des Stoner Rocks („Black Ocean“). Viele der Stücke stammen von ihrem aktuellen Album „Waiting for the Daylight“, das aber inzwischen auch schon zwei Jahre alt ist. Immerhin: In der Harmonie verrät Lyytinen, dass sie noch in diesem Jahr ins Studio gehen möchte, um eine neue Platte aufzunehmen. Klingt gut, zumal die „Queen of Slide Guitar“ immer für die ein oder andere Überraschung gut ist, sei es nun eine (leider an diesem Abend etwas unsaubere) Referenz zu AC/DCs „Thunderstruck“ – oder eben ein Wiegenlied.

Allerdings fehlt Lyytinen momentan noch eine Band im Rücken, die sie nach vorne trägt und ihren furiosen Soli ein solides Fundament gibt. Bassist Heikki Saarenkunnas macht seine Sache eigentlich ganz gut, Drummer Jesse Lehto kann hingegen nicht überzeugen. Zu oft verwechselt er das Gaspedal mit der Bremse und hält die Band zurück, anstatt sie konsequent nach vorne zu peitschen. Und dann wäre da noch der fehlende Keyboarder – 2022 stand mit Mika Aukiko wenigstens noch ein Musiker auf der Bühne, der Lyytinen melodisch unterstützen und zusätzliche Klangfarben in das Rock-Geflecht weben konnte. Doch sowohl er als auch der Rest der damaligen Band haben sich im Frühjahr von Erja Lyytinen getrennt, warum auch immer. Jetzt ist es an der finnischen Powerfrau, Musikerinnen und Musiker zu finden, die mit ihrer Kraft und Energie mithalten können. Dem Rock würde das auf jeden Fall gut tun.

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