Marc Almond: Charmanter Drama-König

An diesem Abend läuft so einiges nicht rund für Marc Almond: Erst hat sein Flieger Verspätung, so dass der Sänger aus Großbritannien mitsamt seiner achtköpfigen Band ohne Umwege (und ohne Essenspause) ins nahezu ausverkaufte Gloria rasen muss, dann entspricht die Bühne nicht seinen Vorstellungen, und zu guter Letzt ist er durch all den Stress merklich angeschlagen. „Mir geht es gerade nicht so gut“, gesteht er direkt zu Beginn seines Auftritts um 21.15 Uhr, „aber ich werde so lange durchhalten, wie ich kann.“ Und so singt er rund 90 Minuten lang ein Lied nach dem anderen, gibt alles – und kann dank der Leidenschaft in seiner Stimme zumindest ab und zu seine Magie wirken.

Dass er im Grunde alles zu singen vermag, hat Marc Almond in seinen 45 Jahren auf der Bühne mehr als einmal bewiesen. Schon Anfang der 80er hat er an der Seite von Dave Ball als „Soft Cell“ einige veritable Synthi-Pop-Hits in die Charts gebracht, inklusive ihrer Version von „Tainted Love“; gleichzeitig hat er Songs des allerersten Pink-Floyd-Sängers Syd Barret, Chansons von Jacques Brel oder auch Klassiker von Lou Reed gecovert, immer mit einer Vorliebe für das Dramatische und Tragische. Das Leiden der anderen wurde in seiner Kehle zu etwas Besonderem, und genau daran versucht Almond mit seinem aktuellen Cover-Album „I’m Not Anyone“ anzuknüpfen. Gleiches gilt für die dazugehörige Tour, die ihn eben auch nach Köln führt, wo er das erste von insgesamt nur zwei Deutschland-Konzerten präsentiert, vollgestopft mit Cover-Songs, die alle Facetten des 67-Jährigen zum Vorschein kommen lassen. Stark etwa Mahalia Jacksons kraftvolles „Trouble of the World“, bei dem sich Almond – zusammen mit seinem fantastischen Background-Sänger Bryan Chambers – als veritabler Soul-Sänger erweist. Brillant auch Charles Aznavours „Yesterday When I Was Young“, obwohl der fehlende Blickkontakt Almonds zu seinem Pianisten aufgrund der Einschränkungen der Bühne für beide suboptimal ist, sowie das eindrucksvolle „Stardom Road“ der Proto-Punk-Band Third World War, bei dem Almonds Gespür für Dynamik und Dramatik überwiegt.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Vor allem in der zweiten Hälfte des Konzerts hapert es mitunter an der Intonation, was zu einigen ärgerlichen Reibungen zwischen Almond und dem Rest der Band führt. Bobby Darins „Dream Lover“ fällt dem ebenso zum Opfer wie Elvis’ „One Night Of Sin“ oder „How Can I Be Sure“ von den Rascals. Erst mit „The Days of Pearly Spencer“, das Almond 1992 in die deutschen, britischen und irischen Charts führte (womit er erfolgreicher war als der ursprüngliche Autor David McWilliams), sitzen die Töne wieder dort, wo sie hingehören. Dabei hakt es ausgerechnet bei diesem Titel an anderer Stelle: Eigentlich soll Gitarrist und Singer-Songwriter Alex Lipinski, der im Vorprogramm aufgetreten ist, an dieser Stelle auf die Bühne kommen, doch zunächst ist dieser nirgendwo zu finden. Almond und die Band nehmen es mit Humor und versuchen rufend und singend alles, um den Kollegen zu erreichen, bevor sie schulterzuckend loslegen. Almond muss also alleine singen – und meistert diese Aufgabe so souverän, dass der inzwischen doch noch herbeigeeilte Lipinski zum Instrumentalisten degradiert wird. Ohnehin scheint sich Ersterer wieder gefangen zu haben, überzeugt bei „Something’s Gotten Hold Of My Heart“ und natürlich mit „Tainted Love“, dem Lied, auf das alle gewartet haben. Geht doch.

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