Deutschland driftet nach rechts. Das Erstarken der AfD weckt bei vielen Menschen Ängste, nicht zuletzt bei den Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund, von denen immer mehr mit dem Gedanken spielen, die Bundesrepublik zu verlassen. Muss das sein? Nein, sagen die meisten Mitglieder der Rebell Comedy, die auf Einladung der Reihe „Quatsch keine Oper“ zum wiederholten Mal in Bonn auf der Bühne stehen, von Alltagsrassismus berichten und trotzdem darüber lachen können. Das Multikulti-Comedy-Kollektiv erweist sich dabei als so politisch wie nie zuvor, jongliert mit Klischees und hält sich erfreulicherweise von Plattitüden und Witzen unter der Gürtellinie fern. Ein bemerkenswerter Abend, der auf andere Blickwinkel setzt. Und die Integrationsdebatte geraderückt.
Einer, der Deutschland tatsächlich den Rücken gekehrt hat, ist Usama Elyas alias Ususmango. Er hat anderthalb Jahre in Saudi-Arabien verbracht, der Heimat seiner Eltern, und hat versucht, sich zu „entdeutschen“. Was leichter gesagt als getan ist, auch wenn er erstmals Teil der „Mehrheitsgesellschaft“ war. „Deshalb sind die in der AfD so“, sagt er, „die wollen so etwas auch erleben. Und inzwischen kann ich das verstehen.“ Wenn auch nicht gutheißen. Ohnehin stellt Elyas fest, dass sich in so einer Gesellschaft schnell Vorurteile manifestieren, in Saudi-Arabien zum Beispiel gegen Pakistani. „Das ist ungerecht“, so Elyas – seiner Meinung nach eine typisch deutsche Haltung. Immerhin.
Auch Hany Siam hat seine Erfahrungen mit AfD-Parolen gemacht. Er arbeitet sich vor allem an Achille Demagbo ab, einem deutschen AfD-Politiker beninischer Herkunft, der 2019 sagte: „Wir dürfen
Deutschland nicht mit Afrikanern überfluten, weil es einfach zu viele davon gibt.“ Benaissa Lamroubal beschäftigt sich derweil unter anderem mit den Abschiebungsplänen der Rechtsaußen-Partei und
seiner verhinderten Integration („Ein Teil von mir wehrt sich dagegen“), aber auch mit der wachsenden Cancel Culture, deren Opfer er selbst schon einmal gewesen sein soll. Ausgerechnet ihm habe
man Antisemitismus vorgeworfen, erzählt er und weist einen derartigen Vorwurf vehement zurück, während er sich mit Blick auf die Geschehnisse im Nahen Osten explizit auf die Seite der
Palästinenser stellt. Das muss man ja dürfen.
Den eindringlichsten, intensivsten Appell zu diesem Thema liefert derweil Babak Ghassim ab. Der Poetry-Slammer ist seit jeher der Künstler von Rebell Comedy, der eher zum Nachdenken als zum
Lachen anregt. „Ich höre was, was du nicht hörst, und das ist Stille“, sagt er und fragt nach, warum sich keiner zu dem Nahost-Konflikt äußern will, der immer weiter eskaliert. „Ich sage was, was
du nicht sagst, und das ist Freiheit und Frieden, für Israel, für den Libanon und für Palästina.“ Das kann man nicht laut genug fordern. Moderator Khalid Bounouar muss nach dieser Ansprache nun
allerdings den Bogen zurück zur Comedy schlagen. Eine Herausforderung, die der charismatische 34-Jährige unterhaltsam, eloquent und souverän meistert. Vergleichsweise zahm bleiben dagegen Salim
Samatou sowie Fabian Lambert, der als "Quotendeutscher" eingeladen wurde und zum ersten Mal vor 1000 Menschen spricht. Dafür läuft’s ganz gut, auch wenn die Pointen ruhig noch nachgeschärft
werden könnten. Das Publikum ist auf jeden Fall von allen Stars des Abends begeistert.
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