René Sydow: Das kostbarste Gut der Menschheit

Sprache ist wandelbar. Wunderbar. Und in den richtigen Händen – beziehungsweise Zungen – ein unglaublich präzises und schönes Instrument. Eines, das René Sydow meisterhaft zu führen versteht. Der 44-jährige Kabarettist liebt Sprache, nicht nur als Handwerkszeug sondern als Mittel poetischer Schöpfungskraft. „Sie ist das Schönste, was wir haben“, sagt er im Pantheon. Umso trauriger und wütender macht es ihn, wenn Sprache nicht richtig verstanden, falsch eingesetzt oder gar missbraucht wird, von Kindern, Politikern und Lobbyisten. Doch Sydow will gegensteuern, will  diskutieren und sensibilisieren, aufklären und richtigstellen, selbst wenn er dafür bis zum Indogermanischen zurückgehen muss, um sich unter anderem gegen die Indoktrination mit gendergerechter Sprache zu wehren. Und um abzurechnen. Wobei er dabei schnell persönlich wird.

Sydows Programm verbindet politische Satire mit linguistischen Erörterungen. Es sorgt ihn, dass rund 19 Prozent der Kinder in Deutschland funktionale Analphabeten seien, sie also lesen können, das Gelesene aber nicht verstehen. Und es wurmt ihn, dass die Mächtigen dies gnadenlos ausnutzen und zu einer Sprache der Angst, der Ablenkung und des Fanatismus greifen. Da werden Vorurteile geschürt, unbequeme Wahrheiten vertuscht und unliebsame Dinge verteufelt, bis Gesinnung und Befindlichkeiten über Verstand und Urteilsvermögen siegen. Im Namen des Kampfes gegen Rassismus werden so Bücher umgeschrieben oder einfach verbrannt, anstatt die eigentlichen Probleme anzugehen, die in den Menschen selbst liegen und darin, wie sie selbst Sprache wahrnehmen. Umdenken ist schließlich Schwerstarbeit.

 

Das gilt laut Sydow auch für gendergerechte und politisch korrekte Sprache. Die Vermischung von Genus und Sexus beim generischen Maskulinum ist ihm ein Graus, vor allem weil die vermeintlichen Lösungen sein eigenes Sprachempfinden stören. „Ein Student im Urlaub ist kein Studierender“, erklärt er, „und ein Lehrer außerhalb des Klassenraums in der Regel kein Lehrender.“ Ist das kleinkariert? Vielleicht. Andererseits ist Kabarett zumindest in den Augen Sydows immer auch eine Übung in Genauigkeit. Die ist allerdings nicht immer erwünscht, was der 44-Jährige eigenen Angaben zufolge oft selbst zu spüren bekommt. Immerhin wird er nie ins Fernsehen eingeladen, er, der für sich selbst in Anspruch nimmt, einer der letzten echten Kabarettisten und Satiriker zu sein. Das beklagt Sydow mehr als einmal und lässt Frust und auch eine gewisse Verachtung für seine Mainstream-Kollegen erklingen – dabei ist zumindest letzteres nicht angebracht. Immerhin ist Kabarett vor allem Sprache. Und somit wandelbar. Im besten Fall sogar wunderbar, erheiternd und erhellend. So wie ein Abend mit René Sydow.

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