Gun & Scorpion Child: Grüße von der harten Seite

Und schon ist es wieder vorbei, das Crossroads-Festival des WDR Rockpalasts. Vier Tage, acht Bands und jede Menge Rock in allen Farben und Formen lassen in der Harmonie ein Publikum zurück, das angesichts vieler progressiver Spielmuster (etwa bei Rosalie Cunningham) nicht durchgehend überzeugt scheint, sich aber auch an einige schöne Momente erinnern kann. An den Auftritt von Mojo Thunder etwa, die Crossroads am vergangenen Mittwoch eröffneten. Oder an den von Gun, die am letzten Abend mit kernigem, staubtrockenem und kompromisslosen Rock einen schnörkellosen Gegenentwurf zu überfrachteten Klangflächen und permanenten Stil-Wechseln ablieferten. Stark.

Wollte man die Schotten um die Brüder Dante (Gesang) und Giuliano Gizzi (Gitarre) mit einem Wort beschreiben, würde man wahrscheinlich „gradlinig“ wählen. Damit ist das Quintett seit Jahren – ach was, seit Jahrzehnten – gut gefahren. 1987 gegründet war die Band Anfang bis Mitte der 90er auf ihrem Höhepunkt, mit Singles und Alben in den UK-Charts sowie Touren mit den Rolling Stones und Bon Jovi. In ihrer jetzigen Inkarnation ist ihnen dieses Ziel bislang verwehrt geblieben, doch in Endenich beweisen Gun, dass man immer noch mit ihnen rechnen kann. Und dass sie immer noch ihr Publikum zu euphorisieren verstehen. Während die ersten Titel noch ein wenig zu schleppen scheinen, dreht die Band immer weiter auf. Vor allem Zweit-Gitarrist Ruaraidh MacFarlane genießt es, Gas geben sowie sich ab und zu in Pose werfen zu können, während Frontmann Dante, der mit seiner wohlklingenden Stimme die Menge mühelos zum Mitsingen animieren kann, die Energie aus dem Saal mit breit geschwellter Brust in sich aufnimmt – und abliefert. Warum allerdings am Ende die Beastie Boys gecovert werden, anstatt einen eigenen Hit zu spielen, wird wohl ein ungelöstes Rätsel bleiben.

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Ganz so einfach wie Gun hat es Scorpion Child mit dem Publikum nicht. Das mag daran liegen, dass die Texaner abgesehen von Sänger Aryn Jonathan Black keine wirkliche Konstante in ihrer Bandgeschichte haben, weder personell noch stilistisch. Progressive Rock trifft auf Doom Metal, Gothic Rock und Dark Wave, oszillierend zwischen Hymnen und Lamenti. In diesem wabernden, amorphen Spannungsfeld suchen Scorpion Child ihren Platz, doch zumindest in Endenich regen sich Zweifel, ob sie diesen in ihrer nunmehr 18-jährigen Karriere schon gefunden haben oder ob sie sich bewusst nicht festlegen wollen. Letzteres wird durch die unterschiedlichen Charaktere auf der Bühne nur genährt: Auf der einen Seite gibt Lead-Gitarrist Adrian Arostone immer wieder die Rampensau, auf der anderen Seite steht stoisch Gründungsmitglied Asa Savage, und würde man beide nicht auf der selben Bühne sehen, könnte man wahrscheinlich kaum glauben, dass beide zur selben Band gehören. Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass jeder in der Band sein Handwerk versteht und druckvoll nach vorne spielt. Insofern ist es schon schade, dass ein nicht unerheblicher Teil des ursprünglichen Publikums sich dazu keine eigene Meinung bilden will, sondern nach dem Auftritt von Gun geht. Das haben Scorpion Child nun wirklich nicht verdient.


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