Wilfried Schmickler: „Ich verstehe immer weniger“

Was ist nur mit den Menschen los? Früher gab es gewisse Konstanten im Leben, angefangen bei der täglichen Arbeit und hin bis zu den etablierten Parteien, und heutzutage ist alles im Fluss und jeder verwirrt. Auch Wilfried Schmickler. „Ich verstehe immer weniger“, sagt er bei einem Auftritt im Pantheon, und das ist schon bedenklich bei jemandem, der schon des Berufs wegen alles hinterfragt. Doch Antworten sind rar geworden, vor allem einfache und damit verständliche, und wenn es dann auch noch um Menschen geht, ist eh Hopfen und Malz verloren. Warum jeder bereitwillig sein ganzes Leben im Internet teilt und die Transparenz bis hin zum digitalen Exhibitionismus treibt, ist Schmickler ein Rätsel, ebenso wie die Weigerung der Masse, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen und sich einzuschränken. Und die letzten Wahlergebnisse der AfD – ach, lassen wir das besser.

Für Wilfried Schmickler ist ist dieses Unverständnis ein Problem. Immerhin will er als Kabarettist Kritik am System üben, doch wenn er das nicht länger durchblicken kann, wird es schwierig. Andererseits ist der 69-Jährige nicht ohne Grund einer der renommiertesten, profiliertesten und scharfzüngigsten Vertreter seiner Zunft, einer der letzten Mohikaner des politischen Kabaretts alter Prägung, und bei aller Tiefstapelei versteht er es doch wie nur wenige andere, das gesellschaftliche und politische Leben zu sezieren, Probleme zu benennen und Lösungen vorzuschlagen. Allerdings, so betont er: „Ich kann mich nicht um alles kümmern.“ Nur um die wichtigen Dinge, angefangen bei den einfachen Floskeln der Rechtsextremen, die sich aus Angst und Wut speist. Beides ist vielleicht nicht ganz unbegründet, das merkt auch Schmickler. Die Wirtschaft krankt, den zukünftigen Rentnern droht Altersarmut, das Klima spielt auch verrückt und die Welt wandelt sich immer schneller. Kein Wunder, dass man sich hilflos fühlt. Aber deswegen muss man doch nicht gleich rechts wählen. Oder seine Menschlichkeit verlieren. „Es ist gerade mal neun Jahre her, dass wir in Deutschland Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen haben“, sagt Schmickler. „Heutzutage unterbieten sich die Parteien bei diesem Thema. Bett, Seife, Brot, mehr soll es an Sachleistungen nicht geben. Das fordert übrigens nicht die AfD, sondern die FDP. Ein Armutszeugnis.

Rund zwei Stunden rechnet Wilfried Schmickler mit all den Lügnern, Betrügern und Schaumschlägern ab, mit den Politikern und Finanzberatern, den Wirtschaftsbossen und Online-Giganten, den Verbitterten, den Verbalextremisten und den Faschisten dieser Welt, die genüsslich die Angst im Land schüren, obwohl es der Bundesrepublik im internationalen Vergleich eigentlich noch erstaunlich gut geht. Er analysiert, seziert und karikiert, zieht Musik, Poesie und Satire hinzu, häuft Berge von Schlagwörtern auf- und übereinander, reimt sich einen Wolf und redet sich schlichtweg sämtlichen Frust von der Seele. Und einmal holt er auch posthum einen seiner verehrten Kollegen auf die Bühne, den im August verstorbenen Richard Rogler, dessen bissige, überspitzte Rechnung zur arbeitenden Bevölkerung in Deutschland vieles erklärt. Irgendwo muss man die Antworten ja schließlich hernehmen.

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