Streng genommen ist Miu an diesem Abend am falschen Ort. Immerhin wird im Rahmen der Dottendorfer Jazznacht normalerweise etwas andere Musik gespielt wird als der druckvolle Soul-Pop und Soul-Rock der Hamburgerin und ihrer Band, der mit Wucht durch den Saal des ausverkauften Dottendorfer Ortszentrums schallt. Andererseits steht die erweiterte Palette an Klangfarben dem Format gut zu Gesicht, und der große Andrang sowie der herzliche Applaus zeigen, dass das Team um Herbert Kaupert den richtigen Riecher hatte. Mius Songs gehen schnell in die Beine und – dank einer charismatischen Sängerin mit augenzwinkernd unschuldig wirkenden Ansagen – ins Herz, sorgen für gute Laune und verführen geradezu zum Mitklatschen und Mitsingen. Muss man auch erst einmal hinkriegen.
Ohnehin steht die Qualität der Band bei ihrem Bonn-Debüt nicht in Frage: Gitarrist Magnus Landsberg, der sich gerne in typische Rocker-Posen wirft, sorgt immer wieder mit reizvollen Soli für Begeisterung, während Bassist Falko Harriehausen, Drummer Robin McMinn und Keyboarder Joscha Farries von hinten Gas geben. Dank ihnen kracht selbst eine eigentlich ruhige Beatles-Nummer wie „Come Together“ in Form einer Woge über das Publikum herein. „Wir versuchen, gleich am Anfang erst einmal alle Leute umzupusten“, formuliert Miu ihr Anliegen. Dann nämlich gibt es keinen Widerstand, wenn es mal ruhiger wird, so wie bei „So Much More“. Dieses Lied hat Miu für die Frühphase des Kennenlernens zwischen zwei Menschen geschrieben, also für jene Zeit, in der man noch ein bisschen umherlaviert, um weder zu weit noch weit genug zu gehen. Das klingt ein bisschen nach Teenager-Problemen, und tatsächlich weisen einige Songs darauf hin, dass Miu ihr inneres Kind öfter mal zum Spielen rauslässt. Was eigentlich sogar ganz gut ist. Schließlich wird das Erwachsensein gerne auch mal überbewertet – auch das ist für die 37-Jährige ein Rückblick in ihre Jugend, als sie noch danach strebte, endlich für voll genommen zu werden. Sie wusste es halt nicht besser.
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Der Kontrast zwischen der scheinbaren Kindlichkeit und dem kraftvoll dynamischen Spiel der Band gehört mit zum Reiz von Miu. Vor allem die Songs zu Beginn des zweiten Sets („Next Big Thing“, „Livin’ It Up“ und „Geneva“ sind herrlich direkt, eingängig und energiegeladen. Dagegen fallen die Balladen mitunter etwas ab, inklusive der Cover-Version von Bruce Springsteens „Dancing In The Dark“, die Miu zunächst ganz reduziert und entschleunigt interpretiert, dann aber doch die Rhythmusgruppe hinzuholt und damit beliebig wird. Dies ist allerdings eine Ausnahme in einem ansonsten recht charmanten Konzert, das Lust auf mehr macht. Kein Problem: Am 19. September 2025 spielen Miu wieder in Bonn, dann in der Harmonie.
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