Özcan Coşar: „Ressentiments sind mein Werkzeug“

Özcan Coşar hat es schwer. Alle zwei Jahre ein neues Programm, das ist schon eine Herausforderung, und angesichts so mancher One-Hit-Wonder im Musikgeschäft auch unfair. Dazu dann noch die Leiden des Alters (Coşar hat in diesem Jahr seinen 43. Geburtstag gefeiert), die fehlende Zeit für Freunde und Familie, der beginnende Haarausfall – und all das nur wegen der einen Bratwurst, zu der ihn der Teufel vor rund 30 Jahren höchstpersönlich verführt hat. Armer Özcan Coşar. Andererseits hat er so genug Material für seinen Auftritt in der ausverkauften Bonner Oper zusammen. Und ehrlich gesagt geht es ihm gar nicht so schlecht. Er ist nur vielleicht deutscher, als man denkt.

Das Jonglieren mit Vorurteilen ist die wahre Leidenschaft von Özcan Coşar. „Ressentiments sind mein Werkzeug“, sagt er, während er die Unterschiede bei Hochzeiten von Deutschen und Türken beschreibt, Albaner, Italiener und Russen aufs Korn nimmt und so ziemlich jedes Klischee bedient, das ihm einfällt. Natürlich alles nur Spaß, kein Grund für einen Shitstorm. Jeder noch so derbe Spruch wird innerhalb von Sekunden zurückgenommen, damit sich ja keiner auf den Schlips getreten fühlt – und damit man gemeinsam statt über andere lachen kann. Zum Glück, möchte man sagen, denn viele Sprüche Coşars sind eher albern und pubertär statt bissige Satire. Indem er sie im Moment des Lachens relativiert, lachen Coşar und seine Fans auf einmal über das Vorurteil als solches und eben nicht über seinen Inhalt. Eine schöne Idee, die sich allerdings im Verlauf von gut zwei Stunden abnutzt. Irgendwann werden die platten Pointen und die ausgeprägten Dialekte und Akzente, die Coşar wirklich hervorragend imitieren und überzeichnen kann, leider beliebig.

So lange die Sprachspiele frisch sind, kann Coşar aber durchaus überzeugen. Immerhin hat Özan Coşar in den vergangenen zehn Jahren, seit dem Gewinn des Publikumspreises beim Prix Pantheon 2014, massiv an sich gearbeitet. Herrlich etwa jene Momente, in denen er mit dem Macarena einen Döner bestellt oder in einen Flugzeug-Check-Up auf einmal „Cotton-Eye Joe“ einfließen lässt, zumal sich der 43-Jährige mit dem Streuhaar im Vorfeld vergewissert hat, das keine Piloten im Saal sind. Dafür aber Bus-Fahrer. Und Juristen. Und und und. Immer wieder befragt Coşar sein Publikum, schon allein zur Absicherung, damit er niemandem auf die Füße tritt. Das ist ihm – im Gegensatz zu manch anderen Comedians – besonders wichtig, auch wenn sein Programm „Jackpot“ dadurch geradezu handzahm wirkt. Es ist nun einmal keine Abrechnung und auch keine Provokation, sondern eine Art der Liebeserklärung an alle Nationalitäten. „Ich bin kein Türke, kein Deutscher, kein Rumäne“, sagt Coşar denn auch über sich selbst: „Ich bin vielmehr all das, was meine Familie und meine Freunde aus mir gemacht haben.“ Und das ist eben eine Mischung, mit Elementen aus zahlreichen Kulturen.

Das Publikum ist von diesem versöhnlichen Programm begeistert, zumal Coşar ein gutes Gespür für Timing und Technik hat und genau weiß, wann er welche Pointe setzen muss. Auch seine Gesangs- und Tanzkünste demonstriert der ehemalige Deutsche Breakdance-Meister immer wieder gerne. Am besten kommt es aber an, wenn Coşar aus dem Nähkästchen plaudert, indem er zum Beispiel die Hochzeitsrituale der Türken erklärt oder von seiner Arbeit als Schüler bei einem Schlüsseldienst erzählt, der auch mal in einen Puff geliefert hat. Diese zusammenhängenden Geschichten haben schlichtweg mehr Witz und Charme als einzelne, beliebig in den Saal geschmetterte Phrasen über die Freiheit von türkischen Hunden, die Relevanz eines guten Aussehens in einer Beziehung und den Glückseffekt von Geld. Letzteres ist übrigens mit dem Titel des Programms nicht gemeint: Der Jackpot ist nicht monetär, sondern familiär. Zeit mit Angehörigen und Freunden, das sei, so Coşar, das größte Glück. Und wenn die nicht können, tut es auch das Publikum.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0