Jean-Philippe Kindler: „Da hab ich keinen Bock drauf“

In Jean-Philippe Kindler brodelt es. Einen Tag nach der schicksalsträchtigen Abstimmung im Bundestag, in der Friedrich Merz die von ihm so oft gepriesene Brandmauer gegen die AfD mit einem Antrag einriss, der auch von Donald Trump hätte stammen können, kann sich der gebürtige Duisburger im Pantheon nicht so recht entscheiden, was er jetzt machen soll. Eigentlich, so gesteht er, hat er auf den ganzen Mist keinen Bock mehr, auf die verlogene Politik, auf all die Angst und all den Hass und all den radikalen Egoismus, der in der Gesellschaft brodelt und die Idealvorstellung vom Sozialstaat immer stärker erodiert. Andererseits aber will er nicht schweigen.

Wenn seine kleine Schwester im Alter von sechs Jahren den Bonzen-Nachbarn der französischen Tante als Reaktion auf elitäres Mobbing auf die Veranda kacken kann, dann wird er als überzeugter Linker ja wohl ebenso viel Mut aufbringen können und einige der Symptome ansprechen, an denen die Welt krankt. Was er denn auch tut, oft mit bemerkenswertem Scharfsinn und bitterbösem Zynismus – aber leider manchmal auch mit einem Stil, der sich von besagtem Haufen ein wenig zu sehr hat inspirieren lassen.

 

Tatsächlich gesteht Jean-Philippe Kindler selbst ein, dass er in Pöbellaune ist und am liebsten Pimmelwitze erzählen würde. Und weil das nun wirklich zu tief unter der Gürtellinie wäre, zieht er eben die Satire nach unten, vor allem wenn es gegen die CDU geht – oder er redet einfach Blödsinn, über den er selbst am lautesten lacht. Letzteres ufert nach der Pause in 20 inhaltsleeren Minuten aus, in denen er zusammen mit seinem Kollegen Simon Slomma, der den Abend mit mäßig eloquentem Hip-Hop und der Hyperaktivität eines Eichhörnchens nach drei Litern Cola eröffnet hat, über irgendwelche vermeintlich dringend benötigten Erfindungen sprechen, die das Publikum zuvor auf Zettel geschrieben hat. „Jeder Witz scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde“, bemerkt Slomma in einem seiner besten Momente. Und zwar zu Recht. 

 

Stark wird Kindler dagegen dann, wenn er sich gegen Stellvertreter-Diskussionen wendet, wenn er die Diversität in den Vorständen der DAX-Konzerne in Relation zur Ausbeutung der Arbeiterklasse setzt oder wenn ihm als langjährigem Abstinenzler die Frage nach der Legalisierung von Drogen am Allerwertesten vorbeigeht, weil man viel eher darüber reden müsste, wie man eine Gesellschaft schaffen könne, in der sich nicht jeder auf die ein oder andere Art und Weise betäuben will. Gleiches gilt für jene Passagen, in denen er die eigene politische Position außen vor lässt, die Feindbilder der Linken kritisch hinterfragt oder der CDU nicht die alleinige Schuld am Erstarken der AfD zuspricht: „Wir haben einen Kanzler, der in großem Stil abschieben will, und die Grünen als Regierungspartner, die all diesen Mist auch noch mittragen.“ Was Teil des Problems ist. Indem Kindler die Ebene hinter der Satire herausarbeitet und seine bissigen Kommentare mit Substanz versieht, verleiht er ihnen überhaupt erst Qualität und beweist zudem, dass er vielleicht keinen Bock auf Politik hat. Aber trotzdem viel zu sagen hat.

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