
Es ist nicht ganz ungefährlich, sich mit deutschem Schlager zu beschäftigen. Auf der einen Seite drohen die Auswüchse von Ballermann- und Après-Ski-Partys den guten Geschmack zu überwältigen, auf der anderen ist der Weg in die Katakomben gewisser Musik-Institutionen nicht gerade sonderlich besucherfreundlich. Zumindest, wenn man Götz Alsmann glauben darf, der auf Einladung der Springmaus wieder in der Bundesstadt weilt. Der 67-jährige Entertainer ist ja längst eine Koryphäe für die deutschsprachige Musik der 1950er und 1960er Jahre, für die alten Ufa-Hits und für das, was man als Soundtrack der Wirtschaftswunderzeit bezeichnen könnte. Doch was er während seines Konzert in der Bonner Oper erzählt, lässt seinen Einsatz für dieses längst vergessene Liedgut in einem neuen Licht erscheinen.
Einfach gestaltet sich die Suche nach neuem Material für Alsmann und seine Band nicht. Da werden die B-Seiten von Peter-Alexander-Singles geprüft und deutsche Übersetzungen eines englischen Liedes eines französischen Komponisten ausgegraben, an denen sowohl die niederländische Jazz-Sängerin Greetje Kauffeld als auch die Chanseuse Dalida gescheitert sind (das will Alsmann nun höchstpersönlich ändern). Besonders intensiv widmet er sich zudem dem Werk der von ihm sehr geschätzten Margot Hielscher, für die er sich sogar in die Archive des WDR begibt. Dort, so lautet die Legende, soll die einzige Aufnahme eines „Nachtlieds“ liegen, die Hielschers Mann Friedrich Meyer ihr einst auf den Leib komponiert haben soll und für die Alsmann sogar eine Art Höllenfahrt wagt, ausgerüstet mit Nilpferdpeitsche und Fedora, so wie es sich für einen abenteuerlustigen Archäologen von Rang gebührt. Das Ergebnis gibt ihm recht: Diese Reise hat sich durchaus gelohnt.

Tatsächlich gelingt es Alsmann und seinen Musikerkollegen, die alten Schlager zu entstauben und mit neuem Glanz zu versehen. Während ersterer am Klavier die Finger über die Tasten tanzen lässt
und die Lieder mit seiner charismatischen, warmen Stimme umgarnt wie ein Liebhaber eine Frau, sorgt die Band für den nötigen Schwung. Und das gelingt besser als je zuvor. Drummer Dominik Hahn hat
sich inzwischen gut in die Band integriert und sorgt zusammen mit Bassist Ingo Senst für das Fundament, während Perkussionist Markus Paßlick die Akzente setzt und Alfred Maria Sicking einmal mehr
auf seinem Vibraphon die fantastischsten Soli hervorbringt. Das locker-leichte Spiel des Quartetts verleiht den Stücken eine erstaunliche Frische und eine Art von Zeitlosigkeit. Zumindest wenn
man nicht zu genau auf manche leicht altbackene Texte hört. Und sich von Götz Alsmann verzaubern lässt.
Ohnehin scheint Alsmann ebenso wenig zu altern wie die Lieder, die er zum Besten gibt. Gut, die Haare sind inzwischen grau geworden, aber der Lausbuben-Charme des 67-Jährigen, der vor allem in
seinen teils ausufernden Anmoderationen zum Ausdruck kommt, ist so erfrischend wie eh und je. Alsmann liebt es, zu erzählen und zu fabulieren, und das mit einer Begeisterung, die seinesgleichen
sucht. Dabei spielt es keine Rolle, worüber er spricht, ob er sich nun an Sendungen wie „Bei Scotch und Candlelight“ erinnert oder an ein Duett mit Roland Kaiser, ob an Margot Hielscher oder an
Gisela Fackeldey oder an Horst Frank, der mit seiner markanten Stimme vor allem als Film-Schurke gefragt war – oder als Geheimagent. Ihn macht Alsmann genau aus diesem Grund zum Hauptdarsteller
in dem von ihm entworfenen Film „Die Rache des Taishimoto“; eine Szene beschreibt er so plastisch, detailverliebt und dynamisch, dass sie mühelos vor dem inneren Auge abläuft und der Einsatz der
japanischen Kastenzither aus dem Titel nur konsequent und folgerichtig scheint. Das Publikum im ausverkauften Opernhaus ist dementsprechend begeistert und feiert Alsmann und seine Band mit
tosendem Applaus.
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