Steffi & ihre Radiofreunde: Hinter Hörfunk-Kulissen

Was nicht gesendet wird, ist häufig genug am lustigsten: Das behauptet zumindest die WDR2-Moderatorin Steffi Neu. Eine Aussage, die angesichts der sehr beschränkten Radiozeit nicht allzu verwunderlich ist, aber dennoch eine Verifizierung verdient hat. Nicht zuletzt weil dann der Spaß erst so richtig losgehen kann. Also hat Frau Neu kurzerhand den Fußball-Experten Sven Pistor, den Notfall- und Lungenfacharzt Doc Esser sowie den Kabarettisten und Sprach-Parodisten René Steinberg eingeladen, mit ihr zusammen auf die Bühne der Springmaus zu gehen und mal jene Gespräche zu führen, die sonst zu kurz kommen. Was tatsächlich überaus unterhaltsam ist. Vor allem dann, wenn die vier auf Skripte verzichten. Und einfach drauflos reden.

Das Ergebnis ist eine Art Mischung aus Talkrunde und Mixed-Comedy-Show, die nicht zuletzt davon profitiert, dass sich das Quartett schon lange kennt. Pistor, Esser und Steinberg sind regelmäßig zu Gast bei Steffi Neu, was durch die charmanten Kabbeleien offenkundig ist. Die Chemie stimmt, die Pointen auch. Hier wird keiner vorgeführt, sieht man einmal von einer kleinen sch-Schwäche ab, auf die jetzt aus Gründen der Fairness nicht weiter thematisiert werden soll. In diesem Rahmen, nicht unbedingt privat aber doch irgendwie persönlich – zumindest können Neu, Pistor Esser und Steinberg ansatzweise erkennen, wer ihnen zuhört – ist der unbefangene Dialog tatsächlich überaus unterhaltsam. Je länger sie im Talk-Format bleiben und einfach nur erzählen, miteinander statt nebenher agieren und spontanen Einfällen nachgehen, desto besser wird die Show, vor allem weil die vier Entertainer so authentisch wirken, wie man es im öffentlichen Raum eben sein kann. Wenn Steffi Neu mal eben ihre Erfahrungen als Tanzmariechen und Büttenrednerin in den Ring wirft, Doc Esser vom karnevalistischen Partnerlook mit seinem veirjährigen Sohn erzählt (beide gehen als Batman) oder alle auf der Bühne mit glänzenden Augen vom WDR2-Weihnachtswunder 2024 in Paderborn berichten, kommt eine ganz besondere Atmosphäre auf, die keine noch so gute Radio-Sendung auch nur ansatzweise erzeugen kann. Das geht nur live.

Bei den einstudierten Nummern fällt dies anders aus. Vor allem René Steinberg, der die Stimmen von Prominenten wirklich hervorragend zu überzeichnen versteht, wirkt allein mit diesem Aspekt seiner Kunst auf Dauer recht bemüht. Der von ihm entwickelte „Taatort“ mit Til Schweiger, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg funktioniert ja gerade deshalb, weil er im Radioformat auf zwei Minuten begrenzt ist – auf Dauer werden die Karikaturen schlichtweg anstrengend, zumal Steinberg seinen drei Figuren noch nicht einmal eine Botschaft mit auf den Weg gibt, sondern mit ihnen lediglich ein Exempel statuieren möchte. So also entsteht ein Radio-Format, mit absurden Ideen, die einfach weitergesponnen werden. Ah ja.

 

Weitaus lockerer, aber doch sehr laut und auch belehrend agiert derweil Doc Esser, der vor allerlei Ernährungsmythen warnt und zum Beispiel auf die Pestizid-Belastung des vermeintlich so gesunden Superfoods hinweist (von dem CO2-Abdruck durch den Import ganz zu schweigen). Auch der Nutri-Score wird von ihm verdammt, während das vermeintlich böse Fett ebenso missverstanden wird wie der Bescher – verzeihung, Becher – Kaffee am Morgen. Interessant, doch vom sonst gewohnten Radio-Beitrag höchstens in der Länge zu unterscheiden. Diesen Transfer bekommt ausgerechnet Sven Pistor mit seiner lockeren Art am besten hin, obwohl gerade er mit einer Handy-App und ein paar Video-Einspielern am deutlichsten seinen Teil einstudiert hat. Dem Publikum ist das egal, genießt es doch einfach den abwechslungsreichen Abend voller Anekdoten, falsch verstandener Pop-Songs, ungesunden Kakao-Rezepten und Gemeinsinn. Gerade der gewinnt erst, wenn er nicht nur über das Radio verbreitet wird, sondern von echten Menschen geteilt wird. Das kann eben nur die Bühne.

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