
Karneval ist vorbei, die harsche Realität ist zurück, und die sieht ja alles andere als rosig aus. Der einstige Anführer des globalen Westens, die USA, demontiert sich unter Trump selbst und schießt gleichzeitig einem Alliierten nach dem anderen in den Rücken; die EU sucht nach Antworten und kennt zum Teil noch nicht mal die dazu passenden Fragen; und in Deutschland ist der gesamte Osten nicht länger rot, sondern blau, während Friedrich Merz versucht, sich als entscheidungsfreudiger Kanzler in spe zu generieren und damit einige eigene markige Sprüche zu kaschieren. Keine leichte Situation für ernsthafte Kabarettisten, die angesichts der metaphorischen Elefanten im Porzellanladen der Vernunft und der Moral ihre Programme gar nicht so schnell anpassen können. Aber sie versuchen es – und können beim politischen Aschermittwoch im Pantheon durchaus punkten.
In diesem Jahr hat Gastgeber Rainer Pause eine hervorragende Auswahl getroffen: Drei Generationen von Kabarettistinnen und Kabarettisten, paritätisch besetzt und mit scharfen Pointen bewaffnet, die sie den Großen und Mächtigen nur zu gerne um die Ohren hauen. Den Anfang macht – nach einer kleinen Begrüßung von Fritz Litzmann (Rainer Pause mit seinem ersten Auftritt nach einer Lungenentzündung) und Hermann Schwaderlappen (Norbert Alich) – kein geringerer als Matthias Deutschmann. Der Veteran weiß offenbar selbst nicht so genau, wie er auf den Aufstieg der AfD reagieren soll. „Ich weiß, dass sie irritiert sind“, sagt er mit Blick auf seine Ausführungen, die mitunter erratisch wirken. Ist er ja auch. Schließlich sind für ihn derzeit alle etablierten Parteien keine echte Alternative. „Ich habe bei auf dem Wahlzettel das Feld ’keine von denen‘ vermisst“, sagt er. Aber das wäre ja letztlich auch keine Option gewesen. So blieb nur die Wahl des kleineren Übels – doch auch das ist nicht so ganz koscher, wie Christl Sittenauer mit ihrem feministischen Kabarett ausführt. Genüsslich konfrontiert sie Friedrich Merz in absentia mit diversen Fehltritten und fragwürdigen Aussagen, greift aber auch auf Statistiken zu Gewalt gegen Frauen zurück, um das Verhalten des CDU-Politikers nicht als Ursache, sondern vielmehr als Symptom einer von Männern dominierten Welt zu beschreiben.
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Obwohl Sittenauer mit zehn Jahren Kabarett-Erfahrung (vier davon als Mitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft) auf einen nicht unerheblichen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann, ist ihr Teresa Reichl in Sachen Bissigkeit ebenso voraus wie bei Tempo und Dynamik. Die 28-Jährige, die sich södernd und aiwangernd über das in Bayern verpflichtende Staatsexamen für Lehrerinnen und Lehrer aufregt und „Dantons Tod“ mit Christian Rindler und Björn Höcke neu besetzt, weiß ihre Pointen zielgenau zu setzen und ist von der Form her eine der stärksten Erscheinungen des Abends. Nur an René Sydow kommt sie nicht heran: Dieser zeigt dem Publikum einmal mehr, was alles falsch läuft in der Welt, verurteilt die Deutschen als Hypochonder und ihre Kinder als Stubenhocker, beschäftigt sich mit der heiß diskutierten Aufrüstung und bringt gute Argumente an, all diese Themen unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Wenn dies gelänge, hätte Kabarett schon viel erreicht.
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